564 Richard Wagner in Bayreuth
ners „großen Geistesbruder Arthur Schopenhauer" hin, „an den ich mit glei-
cher Verehrung, ja religione quadam denke" (KSB 3, Nr. 4, S. 8). Und in einem
Brief an Cosima von Bülow erklärt N. nach einem seiner Aufenthalte in Trib-
schen bei Wagner am 19. Juni 1870: „Dies Dasein der Götter im Hause des Geni-
us erweckt jene religiöse Stimmung, von der ich berichtete -" (KSB 3, Nr. 81,
S. 125). Seinem Freund Carl von Gersdorff versichert N. bereits am 28. Septem-
ber 1869: „Ich habe Dir schon geschrieben, von welchem Werthe mir dieser
Genius ist: als die leibhafte Illustration, dessen, was Schopenhauer ein ,Genie'
nennt" (KSB 3, Nr. 32, S. 61). Zuvor erklärt er Erwin Rohde am 9. Dezember
1868, Wagner sei „die leibhaftigste Illustration dessen, was Schopenhauer ein
Genie nennt", und spricht emphatisch vom „kühnen, ja schwindelnden Gang
seiner umstürzenden und aufbauenden Aesthetik" und vom „Gefühlsschwun-
ge seiner Musik" als einem „Schopenhauerischen Tonmeere" (KSB 2, Nr. 604,
S. 352-353).
Die Problematik der Unzeitgemäßheit, die N. in UB III SE und in UB IV WB
im Hinblick auf biographische Entwicklungen Schopenhauers und Wagners
betont, ist bereits bei Schopenhauer präfiguriert. In der Welt als Wille und Vor-
stellung II erklärt er, dass die besondere Begabung des Genies „keineswegs
geeignet ist, ihm einen glücklichen Lebenslauf zu bereiten, vielmehr das Ge-
gentheil. [...] Dazu kommt noch ein Mißverhältniß nach außen, indem das Ge-
nie, in seinem Treiben und Leisten selbst, meistens mit seiner Zeit im Wider-
spruch und Kampfe steht" (WWV II, Kap. 31, Hü 447). Auch in dieser Hinsicht
hält N. Wagner während der Jahre seiner freundschaftlichen Verbindung mit
ihm für ein paradigmatisches Genie gemäß Schopenhauers Vorstellung von Ge-
nialität. Vgl. dazu auch NK 358, 29-33 und NK 386, 21-22. Und im Februar 1870
schreibt N. in einem Brief an Paul Deussen: „Freilich habe ich das unschätzba-
re Glück, den wahren Geistesbruder Schopenhauers, der sich zu ihm wie Schil-
ler zu Kant verhält, als wirklichen Freund zu besitzen, einen Genius, der das-
selbe furchtbar erhabene Loos empfangen hat, ein Jahrhundert früher zu
kommen als er verstanden werden kann" (KSB 3, Nr. 60, S. 98).
505, 30-33 Erhebet euch mit kühnem Flügel I hoch über euren Zeitenlauf! / Fern
dämm're schon in eurem Spiegel / das kommende Jahrhundert auf!] N. zitiert
hier wörtlich aus Schillers Gedicht Die Künstler (V. 466-469). Der idealistische
Anspruch dieses Gedichts geht aus der vorangehenden Partie hervor, die auf
eine ästhetische Veredelung der „Menschheit" zielt: „Der Menschheit Würde
ist in eure Hand gegeben, / Bewahret sie! / Sie sinkt mit euch! Mit euch wird
sie sich heben! / Der Dichtung heilige Magie / Dient einem weisen Weltenpla-
ne, / Still lenke sie zum Ozeane / Der großen Harmonie!" (V. 443-449).
ners „großen Geistesbruder Arthur Schopenhauer" hin, „an den ich mit glei-
cher Verehrung, ja religione quadam denke" (KSB 3, Nr. 4, S. 8). Und in einem
Brief an Cosima von Bülow erklärt N. nach einem seiner Aufenthalte in Trib-
schen bei Wagner am 19. Juni 1870: „Dies Dasein der Götter im Hause des Geni-
us erweckt jene religiöse Stimmung, von der ich berichtete -" (KSB 3, Nr. 81,
S. 125). Seinem Freund Carl von Gersdorff versichert N. bereits am 28. Septem-
ber 1869: „Ich habe Dir schon geschrieben, von welchem Werthe mir dieser
Genius ist: als die leibhafte Illustration, dessen, was Schopenhauer ein ,Genie'
nennt" (KSB 3, Nr. 32, S. 61). Zuvor erklärt er Erwin Rohde am 9. Dezember
1868, Wagner sei „die leibhaftigste Illustration dessen, was Schopenhauer ein
Genie nennt", und spricht emphatisch vom „kühnen, ja schwindelnden Gang
seiner umstürzenden und aufbauenden Aesthetik" und vom „Gefühlsschwun-
ge seiner Musik" als einem „Schopenhauerischen Tonmeere" (KSB 2, Nr. 604,
S. 352-353).
Die Problematik der Unzeitgemäßheit, die N. in UB III SE und in UB IV WB
im Hinblick auf biographische Entwicklungen Schopenhauers und Wagners
betont, ist bereits bei Schopenhauer präfiguriert. In der Welt als Wille und Vor-
stellung II erklärt er, dass die besondere Begabung des Genies „keineswegs
geeignet ist, ihm einen glücklichen Lebenslauf zu bereiten, vielmehr das Ge-
gentheil. [...] Dazu kommt noch ein Mißverhältniß nach außen, indem das Ge-
nie, in seinem Treiben und Leisten selbst, meistens mit seiner Zeit im Wider-
spruch und Kampfe steht" (WWV II, Kap. 31, Hü 447). Auch in dieser Hinsicht
hält N. Wagner während der Jahre seiner freundschaftlichen Verbindung mit
ihm für ein paradigmatisches Genie gemäß Schopenhauers Vorstellung von Ge-
nialität. Vgl. dazu auch NK 358, 29-33 und NK 386, 21-22. Und im Februar 1870
schreibt N. in einem Brief an Paul Deussen: „Freilich habe ich das unschätzba-
re Glück, den wahren Geistesbruder Schopenhauers, der sich zu ihm wie Schil-
ler zu Kant verhält, als wirklichen Freund zu besitzen, einen Genius, der das-
selbe furchtbar erhabene Loos empfangen hat, ein Jahrhundert früher zu
kommen als er verstanden werden kann" (KSB 3, Nr. 60, S. 98).
505, 30-33 Erhebet euch mit kühnem Flügel I hoch über euren Zeitenlauf! / Fern
dämm're schon in eurem Spiegel / das kommende Jahrhundert auf!] N. zitiert
hier wörtlich aus Schillers Gedicht Die Künstler (V. 466-469). Der idealistische
Anspruch dieses Gedichts geht aus der vorangehenden Partie hervor, die auf
eine ästhetische Veredelung der „Menschheit" zielt: „Der Menschheit Würde
ist in eure Hand gegeben, / Bewahret sie! / Sie sinkt mit euch! Mit euch wird
sie sich heben! / Der Dichtung heilige Magie / Dient einem weisen Weltenpla-
ne, / Still lenke sie zum Ozeane / Der großen Harmonie!" (V. 443-449).