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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0592
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Stellenkommentar UB IV WB 11, KSA 1, S. 505-506 565

11.
506, 15-16 Kein goldenes Zeitalter, kein unbewölkter Himmel ist diesen kommen-
den Geschlechtern beschieden] Der griechische Dichter Hesiod (um 700 v. Chr.)
differenziert in seiner Theogonie, einem mythologischen Werk, das sich der
Weltentstehung und der Urgeschichte widmet, zwischen drei Zeitaltern: Das gol-
dene Zeitalter gilt als die Urphase der Menschheitsgeschichte und repräsentiert
den später verlorenen Idealzustand, den es in der Zukunft wiederzugewinnen
gilt. Ihn projizierten die deutschen Frühromantiker, insbesondere Novalis und
Hölderlin, nach bereits in der Antike vorhandenen Mustern auf eine erhoffte
ideale Zukunft. Sie sprachen vor allem der Kunst das Potential und die Aufgabe
zu, diese Zukunft herbeizuführen. Im Folgenden rückt N. Wagner etwas vom
frühromantischen Utopismus eines ,goldenen Zeitalters' ab.
506, 20-22 Auch die übermenschliche Güte und Gerechtigkeit wird nicht wie ein
unbeweglicher Regenbogen über das Gefilde dieser Zukunft gespannt sein.] In
der Bibel gilt der Regenbogen als Zeichen des Heils, nämlich als Signum des
Bundes, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Vgl. 1. Mose 9, 12-13:
„Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe
zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen
Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes
zwischen mir und der Erde". Für N. verband sich diese biblische Reminiszenz
vermutlich mit der Erinnerung an Klopstock, der ebenfalls Schulpforta besucht
hatte. Klopstock exponiert dieses biblische Bild am Ende seines berühmten Ge-
dichts Die Frühlingsfeier.
506, 29 - 507, 3 dass die Leidenschaft besser ist, als der Stoicismus und die
Heuchelei, dass Ehrlich-sein, selbst im Bösen, besser ist, als sich selber an die
Sittlichkeit des Herkommens verlieren, dass der freie Mensch sowohl gut, als böse
sein kann, dass aber der unfreie Mensch eine Schande der Natur ist [...]; endlich,
dass Jeder, der frei werden will, es durch sich selber werden muss, und dass
Niemandem die Freiheit als ein Wundergeschenk in den Schooss fällt.] Mit dem
Begriff ,Stoicismus' bezieht sich N. auf eine der einflussreichsten Philosophen-
schulen der Antike, die von Zenon von Kition etabliert wurde. Die Stoiker hiel-
ten den Logos für das dynamische Ordnungsprinzip einer universell waltenden
Vernunft. In der stoischen Ethik liegt die umfassende Wirkungsgeschichte des
Stoizismus begründet, die weit über die Philosophie im engeren Sinne hinaus-
reicht und sich von der Antike bis in die Moderne in sehr unterschiedlichen
kulturellen Feldern manifestiert. Die Stoiker setzten sich mit den Wechselfällen
des Lebens, insbesondere mit der Problematik von Leiden und Tod, intensiv
auseinander und empfahlen als Therapeutikum eine Haltung der Ataraxia,
 
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