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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 2. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73067#0234
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Stellenkommentar FW V Motto / FW 343, KSA 3, S. 573 1275

bereits / seine düsteren Schatten über Europa rzu legen. Aber wer wüßte es
ganz, was eigentlich damit sich begeben hat? Nachdem dieser Glaube abgebro-
chen ist, muß so / Vieles noch abgebrochen werden, was auf ihm, ruhte ran
ihm gebaut war™, was in ihn hineingewachsen war: diese ganze Fülle u. Folge
von Abbruch u. Zerstörung, [die noch bevorstehtj erräth heute wohl noch Nie-
mand in alle:-1Was aber eigentlich damit geschieben ist, was Alles mit die-
sem Abbruch des Glau=/bens abgebrochen ist u noch abgebrochen werden
muß, das erräth heute wohl noch Niemand in seiner ganzen Fülle u. Folge; -
wie das auch billig ist: denn die größten Ereignisse werden am letzten ru spä-
testen' begriffen. Umgekehrt ist heute noch genug / 'viel von den nächsten
Folgen jenes Ereignisses im Vordergrund, viel™ Dankbarkeit, Erstaunen, Froh-
gefühl / - über das, was damit erreicht ist, namentlich für 'unter™ uns Philoso-
phen: denn der Horizont ist / wieder frei, gesetzt selbst daß er nicht hell ist, u
das Meer lag nie offener als es jetzt offen liegt." (KGW IX 12, Mp XV, 82v, 17-
30; Notat gekreuzt durchgestrichen.)
Eine dritte Vorstufe', die der Druckfassung noch näher kommt, ist KGW IX
12, Mp XV, 82r, 3 f. u. 5-14 u. 84r, 30-63: „Das größte neuere Ereigniß - daß
,Gott todt ist', daß der Glaube an den christlichen Gott unglaubwürdig / gewor-
den ist - beginnt bereits seine ersten Schatten über uns 'Europa™ Europäer zu
werfen. Für die Wenigen wenigstens, / deren Augen, deren Argwohn in den
Augen stark u fein genug für dies Schauspiel ist, scheint eben irgend / eine
Sonne unterzugehen 'untergegangen™, irgend ein altes tiefes Vertrauen sieh in
Zweifel zu kehren 'umgedreht™: ihnen wird 'muß™ unsere alte Welt / täglich
abendlicher, mißtrauischer, fremder, u ,älter' 'scheinen™. In der Hauptsache
aber darf man sagen: das Ereigniß 'selbst™ ist / viel zu groß, zu fern, zu abseits
vom Fassungsvermögen Vieler, als daß auch nur seine Kunde schon ange-/
langt heißen dürfte; geschweige denn, daß Jemand bereits wüßte, was eigent-
lich sich damit begeben hat, - / zum Beispiel wie Vieles, nachdem dieser Glau-
be abgebrochen ist, noch abgebrochen werden muß, weil es auf ihm / gebaut,
an ihn gelehnt, in ihn hineingewachsen war. Diese ganze Fülle u Folge von
Abbruch, Zerstörung, / Untergang, Umsturz, die nunmehr bevorsteht: nae wer
erriethe heute schon genug davon, um den Lehrer u / Vorausverkünder dieser
ungeheuren Logik von Folgen abgeben zu müssen? ... 'den Propheten der größ-
ten 'einer™ Verdüsterung u. Sonnenfinsterniß, die es bisher deren™ /82r/ Glei-
chen es 'wahrscheinlich™ noch nicht auf Erden gegeben hat? ... /84r/ Selbst wir
geborenen Räthselrather, / die wir gleichsam auf den Bergen warten, zwischen
Heute u. Morgen, 'hingestellt, und in die™ den Problemen von Heute u Morgen
'hineingespannt™ hinge=/stellt, wir Erstlinge u. Frühgeburten des kommenden
Jahrhunderts, denen eigentlich die Schatten, welche Europa als-/bald entwi-
ckeln müssen, jetzt schon zu Gesicht gekommen sein müßten: woran liegt es
 
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