Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0122
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
102 Jenseits von Gut und Böse

KSB 6/KGB III/l, Nr. 135, S. 111, Z. 7-11), die deutlich mit der kritischen Absetz-
bewegung in seinen publizierten Werken kontrastiert (vgl. auch JGB 13, JGB 25
und JGB 198), kaum eigene Lektüre-Erfahrungen mit Spinoza, dessen Werke er
nicht besaß (1875 ließ er eine ihm angebotene Ethica-Ausgabe an den Buch-
händler zurückgehen, NPB 719). Seine einschlägigen Äußerungen ab 1881
gründen auf dem immerhin gründlichen Studium des entsprechenden Bandes
von Kuno Fischers Geschichte der neuern Philosophie (vgl. Scandeila 2012;
Scandeila 2013, 21-30; Sommer 2012b u. Große Wiesmann 2015). Dort konnte N.
auch lesen, dass Spinoza schon in den 1663 veröffentlichten Renati Descartes
principiorum philosophiae den ordo geometricus gewählt habe: Er „hatte näm-
lich einem jungen Mann, den er in der Philosophie unterrichten, seine eigenen
Ansichten aber nicht mittheilen wollte, die Lehre Descartes’ vorgetragen, in
mathematischer Form entwickelt und in Dictaten überliefert“ (Fischer 1865, 2,
143, vgl. 145).
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der N.-Adept Paul Mongre in
seinem 1897 erschienenen, durchaus JGB nachempfundenen Aphorismenbuch
Sant’Ilario. Gedanken aus der Landschaft Zarathustras den Gedanken aus JGB 5
aufgreift: „Dass Spinoza sich der mathematischen Beweisform bediente, war
gewiss überflüssig“ (Mongre 1897, 308). Hinter dem Pseudonym verbirgt sich
der nachmals berühmte Mathematiker Felix Hausdorff.
19, 21 f. seine Philosophie — „die Liebe zu seiner Weisheit“ zuletzt, das Wort
richtig und billig ausgelegt —] Bei der in Anführungszeichen gesetzten Wen-
dung handelt es sich nicht um ein Spinoza-Zitat, sondern um die ironische
Übersetzung der Formulierung „seine Philosophie“, die das Posessivpronomen
vor die Weisheit statt die Liebe setzt, um damit auch die unaufhebbar individu-
elle Bedingtheit selbst der Weisheit anzuzeigen, die sonst als etwas Allgemei-
nes und Objektives gilt. In der Aufzeichnung KGW IX 5, W I 8, 266, 36-38
lautete die Stelle eindeutiger: „seine Philosophie - die Liebe zu seiner »Weis-
heit4 rzuletzt das Wort richtig übersetzt
19, 22-25 wie in Erz panzerte und maskirte, um damit von vornherein den Muth
des Angreifenden einzuschüchtern, der auf diese unüberwindliche Jungfrau und
Pallas Athene den Blick zu werfen wagen würde] In Erz gepanzert, nämlich in
voller Rüstung entsprang die Weisheits-Göttin Athene bereits dem Kopf ihres
Vaters Zeus (Apollodor: Bibliothek I 3, 6); sie trägt die Beinamen HaÄAdc; und
HapOevoc;, Jungfrau, was sie stets geblieben sein soll. Hier bezieht sich die Pan-
zerung der Athene auf die philosophische Darstellung more geometrico.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften