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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0420
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400 Jenseits von Gut und Böse

von Hellwald (KSB 6/KGB III/l, Nr. 123, S. 101, Z. 8), der überall in der Ge-
schichte den „Kampf um’s Dasein“ wüten und das „Recht des Stärkeren“ sie-
gen sieht: „Der Krieg ist gleichfalls eine der ältesten Naturerscheinungen, für
dessen Berechtigung die gesammte Natur in die Schranken tritt. Er liegt im
Grundcharakter aller organischen Wesen und kann auch mit zunehmender Ge-
sittung an seiner Schärfe nichts verlieren.“ (Hellwald 1876-1877a, 1, 108) Be-
trachtungen zur Fortschrittsträchtigkeit des Krieges und zum anhaltenden Ein-
fluss kriegerischen Denkens auf die Moral zivilisierter Nationen konnte N. in
Walter Bagehots Ursprung der Nationen studieren (Bagehot 1874, 49-92). Die
in JGB 76 artikulierte Idee einer sich nach innen richtenden Grausamkeit des
kriegerischen Menschen kehrt in GM und in AC wieder, sie wird dort erweitert
zum allgemeinen Erklärungsschema für kulturelle Entwicklung und besonders
für die Christianisierung der (germanischen) Barbaren.

77.
87, 15-18 Mit seinen Grundsätzen will man seine Gewohnheiten tyrannisiren
oder rechtfertigen oder ehren oder beschimpfen oder verbergen: — zwei Men-
schen mit gleichen Grundsätzen wollen damit wahrscheinlich noch etwas Grund-
verschiedenes.] Die Fassung in NL 1882, KSA 10, 3[1]276, 86, 10-13 lautet: „Mit
seinen Grundsätzen will man seine Gewohnheiten tyrannisiren, oder rechtferti-
gen, oder ehren, oder beschimpfen, oder verbergen. Menschen mit gleichen
Grundsätzen wollen damit doch wahrscheinlich noch etwas ganz Verschiede-
nes.“ (Vgl. auch die in KGW VII 4/1, 86 mitgeteilten Korrekturen.) Zur Interpre-
tation Burnham 2007, 105.

78.
87, 20 f. Wer sich selbst verachtet, achtet sich doch immer noch dabei als Ver-
ächter.] In NL 1882, KSA 10, 3[1]281, 87, 1-3 wird nicht impliziert, dass der
Selbstverächter sich tatsächlich schon als Verächter achte, vielmehr wird er
darin zu solcher Selbstachtung erst aufgefordert: „Wer sich selber verachtet
mag erwägen, daß er nicht nur der Verachtete, sondern auch der Verächter ist:
er mag sich also als Verächter achten!“ Das geht auf eine in KGW VII 4/1, 87
mitgeteilte Vorstufe zurück: „Wer sich unerträglich findet selber verwirft, mag
erwägen, daß auch der Richter, der hier verurtheilt verwirft, auch noch er sel-
ber ist; und mag er wird sich rdann vielleicht'' um dieses Richters willen ertra-
gen.“ Im selben Notizbuch wird die offensichtlich notgedrungene Unvollstän-
digkeit der Selbstverachtung noch ein weiteres Mal reflektiert: „Wer sich selber
 
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