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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0597
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Stellenkommentar JGB 208, KSA 5, S. 138 577

Kluft zwischen der Culturhöhe des Weissen und des Schwarzen bestehen, eine
Kluft, welche nur dann jemals überbrückt zu werden Aussicht hätte, wenn das
geistige Niveau des Schwarzen rascher stiege als jenes des Weissen. Dafür ist
aber nicht der geringste Beweis vorhanden, vielmehr das /63/ Gegentheil der
Fall, was sich auch sehr leicht begreift. Für die weisse Race stellt die Geschich-
te ein Steigen ihrer geistigen Höhe in geometrischer Progression fast äusser
Zweifel; würden wir — was für die minderen Racen eigentlich gar nicht an-
nehmbar ist — denselben das nämliche Zugeständniss machen, so müssten
wir doch die durch das Zusammentreffen glücklicher klimatischer und anderer
Umstände begünstigte ursprüngliche Begabung der Weissen höher ansetzen,
als für die tiefer stehenden Racen.“ (Ebd., 62 f.) Dennoch stellte Hellwald einen
Fortschritt durch Vermischung von Völkern nicht prinzipiell in Abrede, konze-
dierte ihn aber doch nur für den Fall, dass die rassischen Differenzen nicht
gravierend seien: „Den halbwilden Germanen gehörte die Zukunft angesichts
der gealterten Römer; hier standen aber Arier Ariern gegenüber; es waltete kei-
ne RacenVerschiedenheit. Dass aber je die Unterschiede zwischen der weissen
mittelländischen und einer anderen Race, der schwarzen, gelben oder rothen,
verwischt, die Kluft ausgefüllt oder überbrückt, geschweige denn erstere von
den anderen überflügelt worden wäre, dafür bietet die Geschichte kein Bei-
spiel.“ (Ebd., 63) Die weiße Rasse sei den andersfarbigen weit überlegen und
bleibe es auch. „Nun gibt es freilich ein Mittel, dieser Verschärfung des Racen-
ausdrucks vorzubeugen: die Kreuzung; allein fast lässt sich sagen, die Ab-
hilfe ist schlimmer als das Uebel selbst. Wo sich eine hochstehende Race mit
einer niedrigen kreuzt, entsteht allerdings ein Product, welches zwischen bei-
den die Mitte hält, allein wenn dabei die niedere Race gewonnen hat, veredelt
worden ist, so ist die höhere dadurch herabgestiegen. Es wird also wohl eine
Nivellirung erzielt, jedoch durchaus keine Veredlung des Geschlechts, welche
doch stets die Potenzirung des Besten überhaupt Bestehenden anzustreben
hätte.“ (Ebd.) Diese nach heutigen Begriffen durch und durch rassistische Posi-
tion gipfelt in Verlautbarungen über die Natur an sich: „Die Natur ist und bleibt
die grösste Aristokratin, welche jedes Vergehen gegen die Reinheit des Blutes
nachsichtslos rächt. Gleichartiges darf sich nur mit Gleichartigem verbinden,
im menschlichen Völker- wie im Thier- und Pflanzenleben; Verbindungen zwi-
schen Ungleichartigem zeugen unfehlbar Missgeburten“ (ebd., 64). Wenn JGB
208 über die Entwicklungsnachteile von „Rassenmischungen“ sinniert, dann
scheint N. auf den ersten Blick mit Hellwald übereinzustimmen. Freilich kann
von solch schädlichen „Kreuzungen“ der „weissen Rasse“ mit der schwarzen
oder gelben im Europa des Jahres 1886 keine Rede sein; die „Stände- und
folglich Rassenmischung“ fand, wenn überhaupt, damals nur innerhalb der
längst in Europa angesiedelten Menschengruppen statt. Bei solchen Mischun-
 
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