Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0480
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar GM III 11, KSA 5, S. 359-361 461

GM III 10 nicht namhaft gemachten Ressentiment, das in Selbstqual und
Selbstverachtung ausläuft. Die Philosophen erscheinen demgegenüber als Spe-
zialisten der Selbstrespektierung, weil sie ihren Kredit, ihre Legitimation nur
aus sich heraus ziehen (wenigstens, bevor es Philosophie-Lehrstühle gab). Zu
dem beim späten N. sehr prominenten Begriff der Ehrfurcht (vor sich) siehe
z. B. NK KSA 5, 233, 15 f.;NK KSA 6, 152, 13 u. NK KSA 6, 151, 25 f.
360, 7-11 Ich erinnere an die berühmte Geschichte des Königs Vig/amitra, der
aus tausendjährigen Selbstmarterungen ein solches Machtgefühl und Zutrauen
zu sich gewann, dass er es unternahm, einen neuen Himmel zu bauen) Die
Geschichte wird bereits in M 113, KSA 3, 103, 24-27 erzählt. N. hat sie - vgl.
Brusotti 1992a, 391 - aus Jacob Wackernagels Vortrag Über den Ursprung des
Brahmanismus: „Als König Vigvamitra in der Begierde ein Brahmane zu wer-
den, sich tausendjährigen Bussübungen unterzog, schöpft er aus diesen eine
solche Kraft, dass er einen neuen Himmel aufzubauen unternehmen kann."
(Wackernagel 1877, 29) Hans Blumenberg deutet in seinem Buch über Das La-
chen der Thrakerin König Vigvamitra in 360, 7-11 als „praktische[n] Gnostiker
oder gnostische[n] Praktiker", „wie Nietzsches selbst es mit dem Übermen-
schen war, der auch auf nichts anderem beruht als auf der durchgestandenen
Fähigkeit, den Tod Gottes zu ertragen oder sogar, ihn selbst getötet zu haben.
Das heißt, die Apokalypse in die eigenen Hände zu nehmen" (Blumenberg
1987, 145).
361, 4 das bunte und gefährliche Flügelthier] Vgl. NK 247, 9.

11.
GM III 11 setzt mit der Frage nach der Bedeutung des asketischen Ideals neu
ein, indem das wortführende „Wir" nun dessen eigentlichen Repräsentanten
ins Auge fasst, der zugleich „Repräsentant[..] des Ernstes" (361, 16 f.)
sei, nämlich „den asketischen Priester" (361, 13). Dessen Verhältnis zum
in GM III 10 behandelten Philosophen, der sich als Priester getarnt hat, wird
in GM III 11 nicht weiter bestimmt. Was beim Philosophen meist noch Mittel
war, scheint beim Priester zur Hauptsache zu werden: Das Dasein und die
Macht des Priesters gründe auf dem asketischen Ideal. Daher habe es das „Wir"
mit einem „furchtbaren Gegner" (361, 24 f.) zu tun, falls das „Wir" denn wirk-
lich „Gegner jenes Ideals" (361, 25 f.) sein sollte, was es zunächst offenlässt,
zumal eine „interessirte Stellung zu unsrem Probleme" (361, 28 f.) dessen Lö-
sung vermutlich nicht fördere. Immerhin helfe es dem Priester wenig, Verteidi-
ger des eigenen Ideals sein zu wollen, weil Befangenheit offensichtlich die
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften