Stellenkommentar GD Deutschen, KSA 6, S. 105 381
schauung machte, [...] knüpfte sich ja nicht etwa nun eine stätige Entwicklung
eines auf gleicher Höhe verbliebenen wissenschaftlichen Fortschritts an, so
sehr uns auch der aufdringliche Wissenschaftsbetrieb heutiger Tage etwas der-
artiges glauben machen möchte." (Stein 1881, 19) Die Kritik am Fortschritts-
glauben der zeitgenössischen Wissenschaft paart sich hier mit der Kritik an
ihrem „Betrieb".
105, 18-22 Das harte Helotenthum, zu dem der ungeheure Umfang der Wissen-
schaften heute jeden Einzelnen verurtheilt, ist ein Hauptgrund dafür, dass voller,
reicher, tiefer angelegte Naturen keine ihnen gemässe Erziehung und Erzie-
her mehr vorfinden.] Den sklavischen Charakter moderner Universitätswissen-
schaft arbeitet N. schon früh heraus, vgl. z. B. UB I DS 8, KSA 1, 202, 24-
34: „Dieses Paradoxon, der wissenschaftliche Mensch, ist nun neuerdings in
Deutschland in eine Hast gerathen, als ob die Wissenschaft eine Fabrik sei,
und jede Minuten-Versäumniss eine Strafe nach sich ziehe. Jetzt arbeitet er, so
hart wie der vierte Stand, der Sclavenstand, arbeitet, sein Studium ist nicht
mehr eine Beschäftigung, sondern eine Noth, er sieht weder rechts noch links
und geht durch alle Geschäfte und ebenso durch alle Bedenklichkeiten, die
das Leben im Schoosse trägt, mit jener halben Aufmerksamkeit oder mit jenem
widrigen Erholungs-Bedürfnisse hindurch, welches dem erschöpften Arbeiter
zu eigen ist." Entsprechend hat sich N. in UB III SE zu „Schopenhauer als
Erzieher" bekannt, der auch ein vehementer Kritiker der Universität(sphiloso-
phie) war (vgl. z. B. Schopenhauer 1873-1874, 5, 151-212).
Das Helotentum kommt in N.s philosophischen Werken nur an dieser Stelle
vor, nie die Heloten, die „Staatssklaven in Sparta, vermutlich von der lakoni-
schen Stadt Helos herzuleiten, die eine Zeit lang Mittelpunkt der Erhebung der
von den Spartanern unterjochten Bauern war. Die H. wurden vom Staate den
Einzelnen zum Gebrauch überlassen" (Meyer 1885-1892, 8, 368). Das Abstrak-
tum „Helotenthum" ist zu N.s Zeit durchaus gebräuchlich zur Bezeichnung
sklavischer Arbeitsbedingungen, denen nach N. eben auch der Wissenschaftler
unterliegt.
105, 27-30 Deutschland gilt immer mehr als Europa's Flachland. — Ich
suche noch nach einem Deutschen, mit dem ich auf meine Weise ernst sein
könnte, — um wie viel mehr nach einem, mit dem ich heiter sein dürfte!] Dass
Deutschland ein „Flachland" sei, in dem man ihn nicht verstehen könne,
betont N. auch in EH Warum ich so gute Bücher schreibe 2, KSA 6, 301, 16 f.
sowie in NW Vorwort, KSA 6, 415, 11. Geographisch bezeichnet Flachland eine
„ebene, durch keinen Gebirgszug unterbrochene oder doch nur von unbedeu-
tenden Landrücken mit sehr allmählicher Erhebung durchzogene Landschaft",
unter die auch die „Heiden und Moore Deutschlands" fallen (Meyer 1885-1892,
schauung machte, [...] knüpfte sich ja nicht etwa nun eine stätige Entwicklung
eines auf gleicher Höhe verbliebenen wissenschaftlichen Fortschritts an, so
sehr uns auch der aufdringliche Wissenschaftsbetrieb heutiger Tage etwas der-
artiges glauben machen möchte." (Stein 1881, 19) Die Kritik am Fortschritts-
glauben der zeitgenössischen Wissenschaft paart sich hier mit der Kritik an
ihrem „Betrieb".
105, 18-22 Das harte Helotenthum, zu dem der ungeheure Umfang der Wissen-
schaften heute jeden Einzelnen verurtheilt, ist ein Hauptgrund dafür, dass voller,
reicher, tiefer angelegte Naturen keine ihnen gemässe Erziehung und Erzie-
her mehr vorfinden.] Den sklavischen Charakter moderner Universitätswissen-
schaft arbeitet N. schon früh heraus, vgl. z. B. UB I DS 8, KSA 1, 202, 24-
34: „Dieses Paradoxon, der wissenschaftliche Mensch, ist nun neuerdings in
Deutschland in eine Hast gerathen, als ob die Wissenschaft eine Fabrik sei,
und jede Minuten-Versäumniss eine Strafe nach sich ziehe. Jetzt arbeitet er, so
hart wie der vierte Stand, der Sclavenstand, arbeitet, sein Studium ist nicht
mehr eine Beschäftigung, sondern eine Noth, er sieht weder rechts noch links
und geht durch alle Geschäfte und ebenso durch alle Bedenklichkeiten, die
das Leben im Schoosse trägt, mit jener halben Aufmerksamkeit oder mit jenem
widrigen Erholungs-Bedürfnisse hindurch, welches dem erschöpften Arbeiter
zu eigen ist." Entsprechend hat sich N. in UB III SE zu „Schopenhauer als
Erzieher" bekannt, der auch ein vehementer Kritiker der Universität(sphiloso-
phie) war (vgl. z. B. Schopenhauer 1873-1874, 5, 151-212).
Das Helotentum kommt in N.s philosophischen Werken nur an dieser Stelle
vor, nie die Heloten, die „Staatssklaven in Sparta, vermutlich von der lakoni-
schen Stadt Helos herzuleiten, die eine Zeit lang Mittelpunkt der Erhebung der
von den Spartanern unterjochten Bauern war. Die H. wurden vom Staate den
Einzelnen zum Gebrauch überlassen" (Meyer 1885-1892, 8, 368). Das Abstrak-
tum „Helotenthum" ist zu N.s Zeit durchaus gebräuchlich zur Bezeichnung
sklavischer Arbeitsbedingungen, denen nach N. eben auch der Wissenschaftler
unterliegt.
105, 27-30 Deutschland gilt immer mehr als Europa's Flachland. — Ich
suche noch nach einem Deutschen, mit dem ich auf meine Weise ernst sein
könnte, — um wie viel mehr nach einem, mit dem ich heiter sein dürfte!] Dass
Deutschland ein „Flachland" sei, in dem man ihn nicht verstehen könne,
betont N. auch in EH Warum ich so gute Bücher schreibe 2, KSA 6, 301, 16 f.
sowie in NW Vorwort, KSA 6, 415, 11. Geographisch bezeichnet Flachland eine
„ebene, durch keinen Gebirgszug unterbrochene oder doch nur von unbedeu-
tenden Landrücken mit sehr allmählicher Erhebung durchzogene Landschaft",
unter die auch die „Heiden und Moore Deutschlands" fallen (Meyer 1885-1892,