Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0413
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
390 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

weise noch 1888 in Sils mit dem Theologen Julius Kaftan Wanderungen unter-
nommen und Gespräche geführt, vgl. NK KSA 299, 11-16.
275, 14 Verhängniss von Jahrtausenden ist. —] Im Druckmanuskript folgt eine
Passage, die N. bei der Überarbeitung Anfang Dezember 1888 gestrichen hat:
„Und selbst im Falle Wagner's: wie dürfte ich verleugnen, daß ich aus meinen
Intimitäten meiner Freundschaft mit Wagner und Frau Wagner die erquick-
lichsten und erhebendsten Erinnerungen rund nur solche Erinnerungen'
zurückbehalten habe, — daß es nie einen Schatten zwischen uns gab? Genau
das erlaubt mir erst jene Neutralität 'jene-Unpersönliehkeit' des Blicks, das
Problem Wagner überhaupt als Cultur-Problem zu sehn — und vielleicht zu
lösen... Fünfter und letzter Satz: ich greife nur Dinge an, die ich von Grund
aus kenne, — die ich selbst erlebt, die ich bis zu einem gewissen Grade selber
gewesen bin. — Das Christenthum meiner Vorfahren rzum Beispiel' zieht in
mir seinen Schluß, — eine durch das Christenthum ins Große gezüchtete selber
groß gezogene, sonnenrein gewordene Strenge und Lauterkeit in Dingen der
Wahrheit des intellektuellen Gewissens wendet sich gegen das Christenthum:
in mir richtet sich, in mir überwindet sich das Christenthum selbst."
(KSA 14, 474) Statt dieser Passage widmete N. nun den Abschnitt Warum ich
so klug bin 5, KSA 6, 288 f. seinem Verhältnis zu Wagner.
8
275, 18-21 Mir eignet eine vollkommen unheimliche Reizbarkeit des Reinlich-
keits-Instinkts, so dass ich die Nähe oder — was sage ich? — das Innerlichste, die
„Eingeweide" jeder Seele physiologisch wahrnehme — rieche...] Entsprechend
häufig tauchen im Spätwerk olfaktorische Metaphern auf, vgl. z. B. NK KSA 6,
145, 28 f. u. 223, 22-25.
276, 2-6 Das macht mir aus dem Verkehr mit Menschen keine kleine Gedulds-
Probe; meine Humanität besteht nicht darin, mitzufühlen, wie der Mensch ist,
sondern es auszuhalten, dass ich ihn mitfühle... Meine Humanität ist eine
beständige Selbstüberwindung.] Dieser Passus übersetzt das, was JGB 26 zum
Umgang des „auserlesene[n] Mensch[en]" (KSA 5, 43, 29) mit dem „durch-
schnittlichen Menschen" (KSA 5, 44, 14) sagt, in die Selbstdarstellung. Das
Moment des „Ekels", das in 275, 28 immerhin explizit gemacht wird, bleibt
angesichts der „Selbstüberwindung" in diesem Abschnitt im Hintergrund —
denn Ekel könnte wiederum ein unwillkommenes Indiz für decadence sein:
„Der Ekel am Menschen, am ,Gesindel' war immer meine grösste Gefahr..."
(276, 12 f.) Zugleich wird die Assoziation von Humanität und Mitgefühl, ja Mit-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften