Stellenkommentar EH weise, KSA 6, S. 274-275 389
scheint, als ob mit der Abkehr von Schopenhauer N. auch dem Duell als Aus-
druck einer aristokratischen Lebenshaltung gegenüber wohlwollender gewor-
den wäre. Selbst in seinen etymologischen Spekulationen zur Herkunft des
Guten im herrenmoralischen Wortverständnis bleibt das Duell nicht ausge-
spart: „Das lateinische bonus glaube ich als ,den Krieger' auslegen zu dürfen:
vorausgesetzt, dass ich mit Recht bonus auf ein älteres duonus zurückführe
(vergleiche bellum = duellum = duen-lum, worin mir jenes duonus erhalten
scheint). Bonus somit als Mann des Zwistes, der Entzweiung (duo), als Kriegs-
mann: man sieht, was im alten Rom an einem Manne seine ,Güte' ausmachte"
(GM I 5, KSA 5, 264, 9-15). N.s Präferenz für von ihm als vor-dekadent interpre-
tierte Zustände bringt ihm in den achtziger Jahren auch den Zweikampf als
ursprünglichen Ausdruck der Stärke näher — die von Schopenhauer verspot-
tete Regression in die „Thierheit" erscheint ihm nun gerade als Ausdruck von
Würde. Der Gegensatz von offenem Zweikampf auf gleicher Augenhöhe und
hinterhältigem Racheüben an Schwächeren, der in EH Warum ich so weise bin
7 den Eindruck erwecken soll, N. sei ein ritterlicher Geisteskämpfer, ist bereits
in NL 1880, KSA 9, 6[214], 254 angelegt: „Junge Menschen, deren Leistungen
ihrem Ehrgeize nicht gemäß sind, suchen sich einen Gegenstand zum Zerrei-
ßen aus Rache, meistens Personen, Stände, Rassen, welche nicht gut Wieder-
vergeltung üben können: die besseren Naturen machen direkten Krieg; auch
die Sucht zu Duellen ist hierher gehörig. Das Bessere ist, wer einen Gegner
wählt, der nicht unter seiner Kraft und der achtungswerth und stark ist. So ist
der Kampf gegen die Juden immer ein Zeichen der schlechteren, neidischeren
und feigeren Natur gewesen: und wer jetzt daran Theil nimmt, muß ein gutes
Stück pöbelhafter Gesinnung in sich tragen." Zu N.s Zeit wurde das Duell
immer mehr als Relikt eines anachronistischen Ehrbegriffs verstanden; N.
kokettiert unter Rückgriff auf den angeblich edlen Zweikampf hingegen mit
seiner (pseudoaristokratischen) Unzeitgemäßheit. Vgl. NK 319, 3-5.
274, 24-28 ich greife nur Sachen an, wo ich keine Bundesgenossen finden
würde, wo ich allein stehe, — wo ich mich allein compromittire... Ich habe nie
einen Schritt öffentlich gethan, der nicht compromittirte: das ist mein Kriterium
des rechten Handelns.] Vgl. NK 122, 24-29.
274, 32 f. So griff ich David Strauss an, genauer den ErfoIg eines altersschwa-
chen Buchs bei der deutschen „Bildung"] Nämlich in UB I DS.
275, 11 f. die ernstesten Christen sind mir immer gewogen gewesen] Bohley 2007,
249 vermutet, man müsse hier an die Naumburger Pietisten und Erweckten
denken, namentlich an Ernst Pinder (1810-1875) und Gustav Adolf Krug (1805-
1874), die Väter von N.s Jugendfreunden Wilhelm Pinder und Gustav Krug. Aber
N. hatte bis zuletzt mit „ernstesten Christen" Kontakt gehalten, so beispiels-
scheint, als ob mit der Abkehr von Schopenhauer N. auch dem Duell als Aus-
druck einer aristokratischen Lebenshaltung gegenüber wohlwollender gewor-
den wäre. Selbst in seinen etymologischen Spekulationen zur Herkunft des
Guten im herrenmoralischen Wortverständnis bleibt das Duell nicht ausge-
spart: „Das lateinische bonus glaube ich als ,den Krieger' auslegen zu dürfen:
vorausgesetzt, dass ich mit Recht bonus auf ein älteres duonus zurückführe
(vergleiche bellum = duellum = duen-lum, worin mir jenes duonus erhalten
scheint). Bonus somit als Mann des Zwistes, der Entzweiung (duo), als Kriegs-
mann: man sieht, was im alten Rom an einem Manne seine ,Güte' ausmachte"
(GM I 5, KSA 5, 264, 9-15). N.s Präferenz für von ihm als vor-dekadent interpre-
tierte Zustände bringt ihm in den achtziger Jahren auch den Zweikampf als
ursprünglichen Ausdruck der Stärke näher — die von Schopenhauer verspot-
tete Regression in die „Thierheit" erscheint ihm nun gerade als Ausdruck von
Würde. Der Gegensatz von offenem Zweikampf auf gleicher Augenhöhe und
hinterhältigem Racheüben an Schwächeren, der in EH Warum ich so weise bin
7 den Eindruck erwecken soll, N. sei ein ritterlicher Geisteskämpfer, ist bereits
in NL 1880, KSA 9, 6[214], 254 angelegt: „Junge Menschen, deren Leistungen
ihrem Ehrgeize nicht gemäß sind, suchen sich einen Gegenstand zum Zerrei-
ßen aus Rache, meistens Personen, Stände, Rassen, welche nicht gut Wieder-
vergeltung üben können: die besseren Naturen machen direkten Krieg; auch
die Sucht zu Duellen ist hierher gehörig. Das Bessere ist, wer einen Gegner
wählt, der nicht unter seiner Kraft und der achtungswerth und stark ist. So ist
der Kampf gegen die Juden immer ein Zeichen der schlechteren, neidischeren
und feigeren Natur gewesen: und wer jetzt daran Theil nimmt, muß ein gutes
Stück pöbelhafter Gesinnung in sich tragen." Zu N.s Zeit wurde das Duell
immer mehr als Relikt eines anachronistischen Ehrbegriffs verstanden; N.
kokettiert unter Rückgriff auf den angeblich edlen Zweikampf hingegen mit
seiner (pseudoaristokratischen) Unzeitgemäßheit. Vgl. NK 319, 3-5.
274, 24-28 ich greife nur Sachen an, wo ich keine Bundesgenossen finden
würde, wo ich allein stehe, — wo ich mich allein compromittire... Ich habe nie
einen Schritt öffentlich gethan, der nicht compromittirte: das ist mein Kriterium
des rechten Handelns.] Vgl. NK 122, 24-29.
274, 32 f. So griff ich David Strauss an, genauer den ErfoIg eines altersschwa-
chen Buchs bei der deutschen „Bildung"] Nämlich in UB I DS.
275, 11 f. die ernstesten Christen sind mir immer gewogen gewesen] Bohley 2007,
249 vermutet, man müsse hier an die Naumburger Pietisten und Erweckten
denken, namentlich an Ernst Pinder (1810-1875) und Gustav Adolf Krug (1805-
1874), die Väter von N.s Jugendfreunden Wilhelm Pinder und Gustav Krug. Aber
N. hatte bis zuletzt mit „ernstesten Christen" Kontakt gehalten, so beispiels-