II Stellenl<ommentar
413, 1 Nietzsche contra Wagner.] NW gehört zu den wenigen Schriften N.s,
deren Titel keinen längeren Prozess der Revision und Emendation durchlief,
sondern vom ersten sichtbaren Auftreten der Idee an feststand, nämlich im
Brief an Carl Spitteler vom 11. 12. 1888. Es handelt sich auch um die einzige
Schrift N.s, in deren Titel N.s Name als Titelbestandteil erscheint. Ursprünglich
sollte ja Spitteler als Herausgeber figurieren, so dass die Doppelung des
Namens bei der Autorangabe und im Titel nicht aufgetreten wäre — dafür wäre
dann eine Doppelung in Ober- und Untertitel erfolgt: „Nietzsche contra Wag-
ner. / Aktenstücke / aus Nietzsche's Schriften." (KSB 8, S. 524, Z. 20-22)
Die lateinische Präposition „contra" für „gegen" taucht bei N. sonst selten
auf — mit Ausnahme zweier wenig relevanter Stellen fast nur in der Hob-
bes'schen Formel „bellum omnium contra omnes", dem „Krieg aller gegen
alle" (z. B. UB I DS, KSA 1, 194, 31; CV 3, KSA 1, 772, 13 f.; WL 1, KSA 1, 877,
22 f.; MA I 615, KSA 2, 348, 30; die ursprüngliche Quelle ist Thomas Hobbes: De
Cive, Praefatio 14). Während das ebenfalls „gegen" bedeutende, von N. gerne
benutzte griechische Präfix öivtl auch noch die Nebenbedeutung „an Stelle
von" hat (vgl. NK KSA 6, 165, l f.), hat „contra" als Präposition diese Nebenbe-
deutung nicht. Die Parallelität zum Titel von AC ist dennoch deutlich: N. setzt
sich mit AC gegen den Christus der kirchlichen Verkündigung und an dessen
weltgeschichtliche Stelle — insofern er selbst ein weltgeschichtliches Schicksal
sein will. N. setzt sich mit NW gegen und an die Stelle von Wagner — auch
wenn das eher in den Bereich der Hanswurstiade gehört (vgl. NK KSA 6, 365,
16-18). Das bellum, der Krieg der Hobbes'schen Formel, schwingt noch mit,
wenn N. 1888 mit der Präposition „contra" sich und Wagner zugleich verbindet
und voneinander absetzt: „Wir sind Antipoden" (NW Vorwort, KSA 6, 415, 6 f.).
Zugleich kann das „contra" die gegnerischen Parteien in einem Gerichtsverfah-
ren voneinander abgrenzen; der Untertitel (vgl. NK 413, 2) suggeriert ein sol-
ches Verfahren. Die juristische Metaphorik, der Vergangenheit und einer
unliebsamen Gegenwart den Prozess zu machen, erlangt in N.s Spätwerk eine
gewisse Prominenz, siehe Sommer 2001c.
413, 2 Aktenstücke eines Psychologen.] „Aktenstücke aus Nietzsche's Schriften"
hätte der Untertitel der Schrift lauten sollen, die herauszugeben N. Spitteler
am 11. 12. 1888 vorschlug (KSB 8, Nr. 1189, S. 524). An Naumann schrieb N.
allerdings am 17. 12. 1888: „Damit der Titel sich so eng wie möglich an den
,Fall Wagner' anschließt, wollen wir schreiben / Nietzsche contra Wag-
ner / Ein Psychologen-Problem" (KSB 8, Nr. 1193, S. 530, Z. 31-34). Diese Titel-
änderung widerrief N. jedoch, als er bald darauf den Schluss des Abschnitts
413, 1 Nietzsche contra Wagner.] NW gehört zu den wenigen Schriften N.s,
deren Titel keinen längeren Prozess der Revision und Emendation durchlief,
sondern vom ersten sichtbaren Auftreten der Idee an feststand, nämlich im
Brief an Carl Spitteler vom 11. 12. 1888. Es handelt sich auch um die einzige
Schrift N.s, in deren Titel N.s Name als Titelbestandteil erscheint. Ursprünglich
sollte ja Spitteler als Herausgeber figurieren, so dass die Doppelung des
Namens bei der Autorangabe und im Titel nicht aufgetreten wäre — dafür wäre
dann eine Doppelung in Ober- und Untertitel erfolgt: „Nietzsche contra Wag-
ner. / Aktenstücke / aus Nietzsche's Schriften." (KSB 8, S. 524, Z. 20-22)
Die lateinische Präposition „contra" für „gegen" taucht bei N. sonst selten
auf — mit Ausnahme zweier wenig relevanter Stellen fast nur in der Hob-
bes'schen Formel „bellum omnium contra omnes", dem „Krieg aller gegen
alle" (z. B. UB I DS, KSA 1, 194, 31; CV 3, KSA 1, 772, 13 f.; WL 1, KSA 1, 877,
22 f.; MA I 615, KSA 2, 348, 30; die ursprüngliche Quelle ist Thomas Hobbes: De
Cive, Praefatio 14). Während das ebenfalls „gegen" bedeutende, von N. gerne
benutzte griechische Präfix öivtl auch noch die Nebenbedeutung „an Stelle
von" hat (vgl. NK KSA 6, 165, l f.), hat „contra" als Präposition diese Nebenbe-
deutung nicht. Die Parallelität zum Titel von AC ist dennoch deutlich: N. setzt
sich mit AC gegen den Christus der kirchlichen Verkündigung und an dessen
weltgeschichtliche Stelle — insofern er selbst ein weltgeschichtliches Schicksal
sein will. N. setzt sich mit NW gegen und an die Stelle von Wagner — auch
wenn das eher in den Bereich der Hanswurstiade gehört (vgl. NK KSA 6, 365,
16-18). Das bellum, der Krieg der Hobbes'schen Formel, schwingt noch mit,
wenn N. 1888 mit der Präposition „contra" sich und Wagner zugleich verbindet
und voneinander absetzt: „Wir sind Antipoden" (NW Vorwort, KSA 6, 415, 6 f.).
Zugleich kann das „contra" die gegnerischen Parteien in einem Gerichtsverfah-
ren voneinander abgrenzen; der Untertitel (vgl. NK 413, 2) suggeriert ein sol-
ches Verfahren. Die juristische Metaphorik, der Vergangenheit und einer
unliebsamen Gegenwart den Prozess zu machen, erlangt in N.s Spätwerk eine
gewisse Prominenz, siehe Sommer 2001c.
413, 2 Aktenstücke eines Psychologen.] „Aktenstücke aus Nietzsche's Schriften"
hätte der Untertitel der Schrift lauten sollen, die herauszugeben N. Spitteler
am 11. 12. 1888 vorschlug (KSB 8, Nr. 1189, S. 524). An Naumann schrieb N.
allerdings am 17. 12. 1888: „Damit der Titel sich so eng wie möglich an den
,Fall Wagner' anschließt, wollen wir schreiben / Nietzsche contra Wag-
ner / Ein Psychologen-Problem" (KSB 8, Nr. 1193, S. 530, Z. 31-34). Diese Titel-
änderung widerrief N. jedoch, als er bald darauf den Schluss des Abschnitts