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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0450
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Stellenkommentar EH klug, KSA 6, S. 287-288 427

sondern nur in einem strategisch geänderten Rahmen aufgewertet wird. In
dieser Fassung erhält der Rückblick auf Wagner eine politische Note, nämlich
die scharfe Kritik daran, dass sich Wagner trotz seiner antideutsch-revolutionä-
ren Vergangenheit schließlich „reichsdeutsch" (289, 16) habe vereinnahmen
lassen. Dass N. selbst in seinen Frühschriften an eine kulturelle Reformierbar-
keit des jungen Kaiserreiches geglaubt hat, gerät unter der lauten politischen
Wagner-Schelte in Vergessenheit.
288, 7 f. die Tage von Tribschen] N. hatte die Wagners in dem von ihnen zwi-
schen 1866 und 1872 gemieteten, luxuriösen Landhaus in Tribschen nahe
Luzern am Vierwaldstättersee von 1869 an mehr als zwanzig Mal besucht.
288, 21-24 Wir, die wir in der Sumpfluft der Fünfziger Jahre Kinder gewesen
sind, sind mit Nothwendigkeit Pessimisten für den Begriff „deutsch"; wir können
gar nichts Anderes sein als Revolutionäre] Auf die missglückte Revolution von
1848 folgte in Deutschland bekanntlich wieder eine reaktionär-restaurative
Phase, während der der Pessimismus Schopenhauers nach Jahrzehnten völli-
ger Nichtbeachtung plötzlich entdeckt wurde und zur Zeitgeistphilosophie
avancierte. Der Pessimismus der sprechenden „Wir" bezieht sich hingegen iro-
nisch nur auf Deutschland, nicht auf den Zustand der Welt schlechthin. Ebenso
sind die „Wir", die sich als „Revolutionäre" bekennen, kaum von den egalitä-
ren Ideen von 1848 (oder 1789) beflügelt — jedenfalls dann nicht, wenn N. sich
hier einschließt. Die von ihm intendierte Revolution wendet sich als Umwer-
tung aller Werte gerade gegen den Egalitarismus und Republikanismus von
1789 und 1848.
288, 24-27 wir werden keinen Zustand der Dinge zugeben, wo der Mucker
obenauf ist. Es ist mir vollkommen gleichgültig, ob er heute in andren Farben
spielt, ob er sich in Scharlach kleidet] Zum Muckertum siehe NK KSA 6, 26, 12-
14. Gemeint ist in 288, 24-27 — traut man N.s Brief an Strindberg vom 08. 12.
1888, KSB 8, Nr. 1176, S. 509, Z. 50 f. — Kaiser Wilhelm II.: „ich nenne den
jungen Kaiser einen scharlachnen Mucker...". Am 30. 12. 1888 heißt es
an Heinrich Köselitz: „Dann schrieb ich, in einem heroisch-aristophanischen
Übermuth meine Proklamation an die europäischen Höfe zu einer Vernich-
tung des Hauses Hohenzollern, dieser scharlachnen Idioten und Verbrecher-
Rasse" (KSB 8, Nr. 1227, S. 565 f., Z. 22-25, vgl. auch NK ÜK EH 1). Die Parallele
zum Purpur ist offenkundig: „Es giebt mehr Dynamit zwischen Himmel und
Erde als diese gepurpurten Idioten sich träumen lassen..." (NL 1888/89, KSA 13,
26[6]2, 641, 5-7).
Scharlach ist eine Kinderkrankheit und wird als Farbe wie Purpur von
hohen weltlichen und geistlichen Würdenträgern bevorzugt, was wiederum
republikanischen Widerwillen weckt: „Im Scharlach in den Senat zu kommen!
 
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