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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0480
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Stellenkommentar EH Bücher, KSA 6, S. 301 457

lich in Turin behalten hatte (die Rückseite zeigt einen Briefentwurf und das
Vorwort zu NW). Sie lautet: „Zuletzt redet hier eine Rassenfrage mit. Die Deut-
schen sind mir nicht verwandt genug — ich drücke mich vorsichtig aus: es
steht ihnen gar nicht frei, mich zu lesen ... "Wer mich heute in Deutschland
liest, hat sich gründlich vorher, gleich mir selber, entdeutscht: man kennt
meine Formel ,gut deutsch sein heißt sich entdeutschen' oder ist — keine
kleine Distinktion unter Deutschen — jüdischer Herkunft. — Die Juden unter
bloßen Deutschen immer die höhere Rasse — feiner, geistiger, liebenswürdi-
ger ... L'adorable Heine sagt man in Paris. -' Mein Stolz ist, daß man mich
überall liebt und auszeichnet, außer in Europa's Flachland Deutschland. In
Wien, in St. Petersburg, in Stockholm und Kopenhagen, in London, in Paris,
in New York — überall habe ich Leser, ausgesuchte Intelligenzen, bewährte,
in hohen Stellungen und Pflichten erzogne Charaktere. Ich habe wirkliche
Genies unter meinen Lesern. Und, daß ich es gestehe, ich freue mich noch
mehr über meine Nicht-Leser, solche, die weder meinen Namen, noch das Wort
Philosophie überhaupt kennen: aber wohin ich komme, hier zum Beispiel in
Turin, erheitert sich jedes Gesicht 'bei meinem Anblick. Meine alte Hökerin
ruht nicht eher, als bis sie das Süsseste von ihren Trauben für mich zusammen-
gesucht hat. —' Man nennt die Polen nicht umsonst die Franzosen unter den
Slaven. Eine charmante Russin wird sich nicht einen Augenblick darüber ver-
greifen, wohin ich gehöre. In der Fremdenliste Nizza's wurde ich als Polonais
verzeichnet. 'Man findet meinen Kopf fast auf jedem Bilde Matejos. — Seltsam!'
ich habe noch nie einen Satz deutsch gedacht, "geschweige gefühlt,' — das
geht vielleicht selbst über meine Kräfte?... Mein alter Lehrer Ritschl behauptete
sogar, ich concipirte meine philologischen Abhandlungen "noch' wie ein Pari-
ser romancier: man müsse vorwärts. In Paris selbst ist man erstaunt über
toutes mes audaces et finesses r— ein Ausdruck von Monsieur Taine — '; und
was den für Deutsche so anstößigen Begriff esprit betrifft, so findet man noch
in den höchsten Formen meiner Dithyramben jedem Satz fast von diesem
,Salze' beigemischt. — Ich kann nicht anders. Gott helfe mir! Amen. — Wir
wissen Alle, "Einige sogar aus Erfahrung,' was ein Langohr ist: ich wage zu
behaupten, "die kleinsten Ohren zu haben' daß ich die kleinsten Ohren habe —
"absurd klein'. Dies interessirt besonders die gar nicht wenig die Weiblein, —
"es scheint mir,' sie glauben sich von mir besser verstanden?... — Ich bin der
Antiesel par excellence "und damit ein welthistorisches Unthier, ich bin'
auf griechisch, der Antichrist... A parte, Etwas zum Singen, aber bloß für die
durchlauchtigten Ohren des Fürsten Bismarck: / Noch ist Polen nicht verlo-
ren, — / Denn es lebt Nie[t]zky noch..." (KSA 14, 482 f.) Diese Fassung trägt
folgenden Hinweis für den Drucker: „Im Capitel ,warum ich so gute Bücher
schreibe' an Stelle des ganzen bisherigen Paragraph 2". N. scheint jedoch
 
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