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Liepmann, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1926, 6. Abhandlung): Leichengeburt bei Ichthyosauriern: eine paläobiologische Studie — Berlin, Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.43402#0005
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Leichengeburt bei Ichthyosauriern. 5
Wale — die Fähigkeit eingebüßt, das Land aufzusuchen. Sie waren allein
und ganz für alle ihre Lebensbetätigungen auf das Wasser angewiesen.
Darin drohte sogar Gefahr für ihren Bestand. Z. T. vermochten sie dieser
zu begegnen. Als Reptilien hätten sie in Erfüllung der Fortpflanzungs-
aufgabe Eier legen sollen. Diese, wie es die Fische tun, im Wasser abzu-
legen, wäre der Entwicklung der Jungen gewiß nicht dienlich gewesen.
Reptilieneier bedürfen der Pflege durch trockene Wärme; die ist im Wasser
des Meeres nicht gegeben. Das Land zur Eiablage aufzusuchen, war ihnen
aber durch ihre Körperform völlig verwehrt. Der Gefahr, die den Ichthyo-
sauriern durch ihre „vollkommenste“, d. i. einseitigste Anpassung an das
Leben im Meere erwuchs, sind sie dadurch entgangen, daß sie vivipar
wurden. Das wird weniger durch die gar nicht allzu seltenen Funde er-
wiesen, bei denen man in sehr verschiedener Lage und Stellung kleine
Ichthyosaurier zwischen den Rippen, in der Brust und Bauchregion er-
wachsener Tiere beobachtet, als durch einen besonders glücklichen,
neueren Fund, der ziemlich weit fortgeschrittene Embryonen in Em-
bryonenstellung und in Uteruslage im Muttertier zeigt. Das Lebendig-
gebären der Ichthyosaurier, die im übrigen Kannibalen gewesen sind
und Junge der eigenen Art verspeisten, war eine durch ihre Anpassung
an das Wasserleben hervorgerufene neue Erwerbung, durch welche die
Nachteile eben dieser Anpassung z. T. wieder ausgeglichen wurden.“
Daß nebenbei die Ichthyosaurier gelegentlich auch die junge Brut ge-
fressen haben, wird nach Ansicht von R. Owen, F. A. Quenstedt, Abel
und, wie wir sahen, auch von Prof. Pompecky angenommen (4), doch
ist hierbei auffällig, daß wir bisher stets nur Junge derselben Art
im Leibe der alten Ichthyosaurier gefunden haben, obwohl die ver-
schiedenen Species nach den vorliegenden Funden zusammen gelebt und
gejagt haben müssen. Noch auffälliger erscheint es, daß die Größe der
Jungtiere nahezu konstant das Maß von 55 cm nicht übertrifft, während
einzeln gelagerte Jungtiere nur selten, z.B. in einem Hautexemplar in
Stuttgart von 50 cm, in einem weiteren Privatsammlung Hauff von 62 cm
und in einem Exemplar meiner Sammlung von 71 cm gefunden sind.
Ferner spricht nach B. Hauff (persönl. Mitteilung) die schwache Artiku-
lation des Unterkiefers dafür, daß die Ichthyosaurier nur imstande waren,
kleinere Weichtiere zu verschlucken; und schließlich wird diese anato-
mische Tatsache gestützt dadurch, daß man in dem erhaltenen Mageninhalt
der Saurier nur Tintenfische findet, so daß diese und andere nicht nach-
weisbare planktonische Tiere ihre Hauptnahrung gebildet haben müssen.
Hält man alles dieses zusammen, so muß man zu der Über-
zeugung kommen, daß die Funde uns nahezu sicher beweisen,
daß die Ichthyosaurier ihre junge Brut nicht gefressen haben.
 
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