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Jost, Ludwig; Ubisch, Gerta; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1926, 8. Abhandlung): Zur Windefrage — Berlin, Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.43404#0016
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L. Jost und G. v. Ubisch:

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß nach Rawitschers Vor-
stellung unbedingt auch ein in vertikaler Lage durch ein Gewicht festge-
haltener Gipfel einer Windepflanze Torsionen ausführen müßte. Es ist
uns wohl bekannt, daß Hendricks 1923 in der Tat unter solchen Um-
ständen Torsionen gefunden hat. Bei Pharbitis traten sie aber im
Laufe von 2 Tagen durchaus nicht auf; während nach Rawitscher
Dutzende von Torsionen sich hätten bilden müssen.
In neuester Zeit ist noch eine Arbeit erschienen, die unsere Kenntnisse
über den Windevorgang wesentlich erweitert: Teodoresco (1925) hat
für zahlreiche Windepflanzen gezeigt, daß das Winden nicht so einfach
„verhinderte kreisende Bewegung“ ist, wie man sich das auf Grund von
Beobachtungen an Pflanzen vorstellt, die weit ab vom lang überhängen-
den Gipfel zum erstenmal mit der Stütze in Berührung kommen. Die
Tatsache, daß Windungen in viel geringerer Zahl auftreten als revolutive
Nutationen erfolgen, ist jedem bekannt, der sich mit Windepflanzen
beschäftigt hat, und sie findet wohl zum Teil eine Erklärung in den Be-
obachtungen Teodorescos, wonach zahlreiche kreisende Nutationen des
Gipfels derart verlaufen, daß sie nicht zum Umschlingen des Gipfels
führen, sondern alle auf einer Seite der Achse bleiben. Wenn jede revolu-
tive Nutation auch zu einer Umwindung der Stütze führen sollte, dann
müßte die Wachstumsintensität der Windestengel sehr viel größer sein,
als sie gewöhnlich ist.
Wichtiger als dieses Ergebnis sind die Beobachtungen Teodorescos,
daß auch bei vielen Pflanzen horizontale Stützen mit regelmäßigen
Windungen umschlungen werden, und daß solche sogar am Klinostaten
(bei einer Umdrehung pro Minute) erfolgen. Die Beobachtungen sind
durch so viele Darstellungen der Projektionen und photographische Auf-
nahmen sichergestellt, daß man an ihnen nicht zweifeln kann; nach-
geprüft haben wir sie bisher noch nicht. Schwieriger ist es sie zu deuten;
kann man doch nicht einmal sicher sagen, ob eine gleichmäßige geotro-
pische Reizung des Gipfels auch bei gut arbeitendem Klinostaten gewähr-
leistet ist. So muß die weitere Aufklärung dieser Klinostatenwindungen
der Zukunft überlassen bleiben. Für uns ist wichtig, daß solche Beobach-
tungen gewisse alte Erfahrungen nicht erschüttern. So bleibt bestehen,
daß die jüngsten Windungen auf dem Klinostaten regelmäßig aufgelöst
werden. Und die von uns bestätigte Beobachtung Ulehlas, wonach man
empfindliche Stengelspitzen so auf dem. Klinostaten befestigen kann, daß
sie tagelang völlig gerade bleiben, wird auch nicht erschüttert.
Für uns ist zur Zeit noch keine Theorie des Windens völlig befriedi-
gend. Daß die neuerdings von Rawitscher wieder angenommene völlige
Autonomie der kreisenden Nutation nicht zutreffend sein kann, haben wir
 
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