Der Rückzug der letzten Vergletscherung
15
IV.
Bei diesen Betrachtungen mußten wir uns darauf beschränken,
Temperatur und Niederschläge zu vergleichen. Für die Erscheinung
der Schneegrenze aber wäre es allerdings wichtig, den Anteil der
Kräfte genauer zu kennen, von denen Aufspeicherung und Ab-
lation des Schnees bestimmt werden. Doch fehlen hierüber Unter-
suchungen an zweckmäßig ausgewählten Plätzen und deren Ver-
gleich fast völlig. An der Bildung und Speisung von Firn scheint
z. B. der Rauhreif in weit stärkerem Maße beteiligt zu sein als
gemeinhin vorausgesetzt ist. Hat doch A. Hamberg in den Sarek-
Bergen in Schweden in 2000 m Höhe den Betrag des Rauhfrostes
für nicht geringer geschätzt als denjenigen des Schnees und Kohler
an der Station Pärtetjäkko in Schwedisch-Lappland in 2000 m
Rauhreifbeträge ermittelt, welche einer Höhe von 2 m Wasser
gleichkommen. An der Abschmelzung hinwiederum sind Insolation
und allgemeine Sommertemperatur zugleich beteiligt. Aber die
Rolle der Insolation unmittelbar an der Schneegrenze an genügend
viel Orten und hinreichend genau festzustellen, ist unmöglich.
Alle diese Schwierigkeiten hat bekanntlich H. W. Ahlmann in
einer Reihe hochwichtiger Veröffentlichungen erörtert25), in welcher
er sich mit den meteorologischen Bedingungen an der Schneegrenze
beschäftigt. Es braucht hier nicht im einzelnen auf sie eingegangen
zu werden. Wichtig aber ist für unsere Zwecke sein Versuch, eine
Kurve zu konstruieren, welche die Beziehungen zum Ausdruck
bringt, die im Niveau der Schneegrenze (genauer „Vergletscherungs-
fläche“) zwischen Sommertemperatur und der um die Verdunstung
verminderten Kondensation der Feuchtigkeit (condensation utile
de l’humidite) bestehen. Dieser Kurve entspricht eine bestimmte
Formel. Wenn diese auch zunächst nur für Norwegen gilt, wo als
Sommertemperaturen die der Monate Juni bis September an-
zusehen sind und bei den vorgenommenen Beobachtungen ein
Temperaturgefälle von 0,7 Grad auf 100 m Höhenunterschied in
Rechnung gesetzt werden muß, gestattet sie doch auch Hinweise
25) Vgl. zum Folgenden vor allem Ahlmann, H. W., Le niveau de gla-
ciation comme fonction de l’accumulation d’humidite sous forme solide. Geogr.
Ann. Stockholm 1924. II. S. 223 ff., besonders S. 263/4. Ferner ders.: Glaciers
in Jotunheim and their physiography. Ebd. 1922. S. 1 ff. (hier S. 30 Mitteilung
der oben gebrachten Bemerkungen von Hamberg und von Kohler über die
Rolle des Rauhreifes); endlich derselbe; Physicographical researches in the
Horung Massif, Jotunheim. Ebd. 1927. S. 9 ff. (beschäftigt sich hauptsächlich
mit dem Ausmaß der Ablation unter verschiedenen Bedingungen).
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IV.
Bei diesen Betrachtungen mußten wir uns darauf beschränken,
Temperatur und Niederschläge zu vergleichen. Für die Erscheinung
der Schneegrenze aber wäre es allerdings wichtig, den Anteil der
Kräfte genauer zu kennen, von denen Aufspeicherung und Ab-
lation des Schnees bestimmt werden. Doch fehlen hierüber Unter-
suchungen an zweckmäßig ausgewählten Plätzen und deren Ver-
gleich fast völlig. An der Bildung und Speisung von Firn scheint
z. B. der Rauhreif in weit stärkerem Maße beteiligt zu sein als
gemeinhin vorausgesetzt ist. Hat doch A. Hamberg in den Sarek-
Bergen in Schweden in 2000 m Höhe den Betrag des Rauhfrostes
für nicht geringer geschätzt als denjenigen des Schnees und Kohler
an der Station Pärtetjäkko in Schwedisch-Lappland in 2000 m
Rauhreifbeträge ermittelt, welche einer Höhe von 2 m Wasser
gleichkommen. An der Abschmelzung hinwiederum sind Insolation
und allgemeine Sommertemperatur zugleich beteiligt. Aber die
Rolle der Insolation unmittelbar an der Schneegrenze an genügend
viel Orten und hinreichend genau festzustellen, ist unmöglich.
Alle diese Schwierigkeiten hat bekanntlich H. W. Ahlmann in
einer Reihe hochwichtiger Veröffentlichungen erörtert25), in welcher
er sich mit den meteorologischen Bedingungen an der Schneegrenze
beschäftigt. Es braucht hier nicht im einzelnen auf sie eingegangen
zu werden. Wichtig aber ist für unsere Zwecke sein Versuch, eine
Kurve zu konstruieren, welche die Beziehungen zum Ausdruck
bringt, die im Niveau der Schneegrenze (genauer „Vergletscherungs-
fläche“) zwischen Sommertemperatur und der um die Verdunstung
verminderten Kondensation der Feuchtigkeit (condensation utile
de l’humidite) bestehen. Dieser Kurve entspricht eine bestimmte
Formel. Wenn diese auch zunächst nur für Norwegen gilt, wo als
Sommertemperaturen die der Monate Juni bis September an-
zusehen sind und bei den vorgenommenen Beobachtungen ein
Temperaturgefälle von 0,7 Grad auf 100 m Höhenunterschied in
Rechnung gesetzt werden muß, gestattet sie doch auch Hinweise
25) Vgl. zum Folgenden vor allem Ahlmann, H. W., Le niveau de gla-
ciation comme fonction de l’accumulation d’humidite sous forme solide. Geogr.
Ann. Stockholm 1924. II. S. 223 ff., besonders S. 263/4. Ferner ders.: Glaciers
in Jotunheim and their physiography. Ebd. 1922. S. 1 ff. (hier S. 30 Mitteilung
der oben gebrachten Bemerkungen von Hamberg und von Kohler über die
Rolle des Rauhreifes); endlich derselbe; Physicographical researches in the
Horung Massif, Jotunheim. Ebd. 1927. S. 9 ff. (beschäftigt sich hauptsächlich
mit dem Ausmaß der Ablation unter verschiedenen Bedingungen).