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P. Vogel:
mechanischen Vorstellung der Kohäsionsveränderungen der Gehirn-
teilchen.
Zwischen den grobmechanischen Läsionen des Gehirns, wie sie
die Franzosen in ihren Tierversuchen setzten, und diesen Zerrungen
und Dehnungen der Teilchen bestehen für Purkinje nur graduelle
Unterschiede. So spricht er im Hinblick auf diese Tierversuche
davon, daß er sein eigenes Gehirn „verwandten mechanischen und
dynamischen Einwirkungen“, nämlich durch die Drehbewegung,
unterworfen habe. Aber auch alle andern Schwindelformen, wie
der galvanische, der Schwindel bei der Ohnmacht, die Drehkrank-
heit der Schafe usw., werden auf die gleichen Kohäsionsveränderun-
gen der Hirnteilchen zurückgeführt, so daß eine einheitliche Lehre
vom Schwindel entsteht, die das ganze weite Gebiet zu umspannen
versucht.
Durch die mechanische Einwirkung der Drehbewegung oder
einer geradlinig fortschreitenden Bewegung wird das Gehirn „ein-
seitig determiniert“, in seiner inneren Struktur nach einer bestimmten
Richtung hin umgeordnet — wir würden sagen — umgestimmt.
Solcher einseitigen asymmetrischen Umstimmung entspricht der
Drehschwindel in einer bestimmten Richtung; den einseitigen Ver-
letzungen des Kleinhirns oder seiner Schenkel, Rollbewegungen der
Tiere um die Längsachse, wie sie Magendie beobachtete. Daß
Flourens nie solche systematischen Bewegungsstörungen bei seinen
Kleinhirnexstirpationen zu sehen bekam, erklärt Purkinje damit,
daß er keine asymmetrischen, sondern symmetrische Verletzungen
setzte. Dadurch verwirren sich die Determinationen nach rechts
oder nach links, es entsteht eine Unbestimmtheit der Bewegungs-
störungen, die der Anlaß war, daß Flourens für die zerebellaren
Bewegungsstörungen nur den farblosen Ausdruck ungeordnet
finden konnte. Purkinje aber wußte aus seinen Selbstversuchen,
welche völlig richtungslose Verwirrung der räumlichen Anschauung
auftrat, wenn der Kopf während des Drehversuches nicht in einer
bestimmten Stellung gehalten, sondern hin- und herbewegt oder
völlig sich selbst überlassen wurde. Es konnte dann nicht zu einer
eindeutigen Determination kommen; vielmehr wirkten viele durch-
einander, und die Folge war das Chaos.
Mit diesen Gedanken ist zusammengenommen, was man später
als systematischen und unsystematischen Schwindel scharf unter-
schieden hat, wobei allerdings die Physiologie mit dem unsystemati-
schen Schwindel nie etwas Rechtes anfangen konnte. Der eigent-
P. Vogel:
mechanischen Vorstellung der Kohäsionsveränderungen der Gehirn-
teilchen.
Zwischen den grobmechanischen Läsionen des Gehirns, wie sie
die Franzosen in ihren Tierversuchen setzten, und diesen Zerrungen
und Dehnungen der Teilchen bestehen für Purkinje nur graduelle
Unterschiede. So spricht er im Hinblick auf diese Tierversuche
davon, daß er sein eigenes Gehirn „verwandten mechanischen und
dynamischen Einwirkungen“, nämlich durch die Drehbewegung,
unterworfen habe. Aber auch alle andern Schwindelformen, wie
der galvanische, der Schwindel bei der Ohnmacht, die Drehkrank-
heit der Schafe usw., werden auf die gleichen Kohäsionsveränderun-
gen der Hirnteilchen zurückgeführt, so daß eine einheitliche Lehre
vom Schwindel entsteht, die das ganze weite Gebiet zu umspannen
versucht.
Durch die mechanische Einwirkung der Drehbewegung oder
einer geradlinig fortschreitenden Bewegung wird das Gehirn „ein-
seitig determiniert“, in seiner inneren Struktur nach einer bestimmten
Richtung hin umgeordnet — wir würden sagen — umgestimmt.
Solcher einseitigen asymmetrischen Umstimmung entspricht der
Drehschwindel in einer bestimmten Richtung; den einseitigen Ver-
letzungen des Kleinhirns oder seiner Schenkel, Rollbewegungen der
Tiere um die Längsachse, wie sie Magendie beobachtete. Daß
Flourens nie solche systematischen Bewegungsstörungen bei seinen
Kleinhirnexstirpationen zu sehen bekam, erklärt Purkinje damit,
daß er keine asymmetrischen, sondern symmetrische Verletzungen
setzte. Dadurch verwirren sich die Determinationen nach rechts
oder nach links, es entsteht eine Unbestimmtheit der Bewegungs-
störungen, die der Anlaß war, daß Flourens für die zerebellaren
Bewegungsstörungen nur den farblosen Ausdruck ungeordnet
finden konnte. Purkinje aber wußte aus seinen Selbstversuchen,
welche völlig richtungslose Verwirrung der räumlichen Anschauung
auftrat, wenn der Kopf während des Drehversuches nicht in einer
bestimmten Stellung gehalten, sondern hin- und herbewegt oder
völlig sich selbst überlassen wurde. Es konnte dann nicht zu einer
eindeutigen Determination kommen; vielmehr wirkten viele durch-
einander, und die Folge war das Chaos.
Mit diesen Gedanken ist zusammengenommen, was man später
als systematischen und unsystematischen Schwindel scharf unter-
schieden hat, wobei allerdings die Physiologie mit dem unsystemati-
schen Schwindel nie etwas Rechtes anfangen konnte. Der eigent-