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Vogel, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 5. Abhandlung): Studien über den Schwindel — Berlin, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.43672#0013
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Studien über den Schwindel

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liehe Schwindel war der systematische. Die so bedeutsame Lehre
aber von den raumrichtungsgemäßen Bestimmungen infolge asym-
metrischer Einwirkung hat erst in den letzten Jahren wieder neues
Interesse gewonnen. Die Kritiker der Reflexlehre haben sie, wohl
ohne sich der Purkin JE’schen Anschauungen zu erinnern, wieder
aufgenommen.
Als Organ steht also im Mittelpunkt der Lehre vom Schwindel
bei Purkinje das Gehirn. Das ist nicht nur bei ihm der Fall,
sondern auch in der alten Klinik, der der Schwindel ein zerebrales
Symptom war. Schwindel ist gleichsam das Gemeingefühl, das im
Kopfe sitzt, wie die Angst in der Brust. Der Kranke deutet nach
dem Kopfe, wenn er von seinem Schwindel spricht. Und ganz
ähnlich wie Purkinje glaubte noch Hitzig, direkt das Gehirn zu
reizen, als er seine Versuche über den galvanischen Schwindel vor-
nahm. Diese waren eigentlich nur ein Sonderfall seiner andern be-
rühmten Rindenreizung. Flourens’ Entdeckung der Erscheinun-
gen, welche das Zerschneiden der halbzirkelförmigen Kanäle be-
gleiten, die 1825 veröffentlicht wurde, blieb in dieser Situation
zunächst ohne jede Bedeutung.

An der Schwelle des zweiten Abschnittes der Schwindelforschung
stehen, wie schon erwähnt wurde, die klinischen Beobachtungen
Meniere’s (1861), die Arbeit von Goltz „über die physiologische
Bedeutung der Bogengänge des Ohrlabyrinthes“ (1870) und die
Untersuchungen von Mach und Breuer über die Bewegungsemp-
findungen und die Labyrinthfunktion (1874). In Physiologie und
Pathologie wird damit das Labyrinth zum eigentlichen Organ des
Schwindels, während das Gehirn ganz zurücktritt. Aber diese
W andlung ist nicht die einzige, vielleicht auch nicht die entschei-
dende für unser Problem. Am bedeutsamsten ist die Entwicklung
und Ausbildung gewisser physiologischer Grundvorstellungen, ge-
wisser Denkformen, die inzwischen geschehen war und nach denen
nun auch die Schwindelphänomene behandelt wurden. Der Reflex
und die Empfindung sind die beiden fundamentalen Begriffe, die
die klassische Physiologie seit Johannes Müllers berühmtem Hand-
buch immer klarer herausarbeitet. Auf diese wurden nach Möglich-
keit alle nervösen Leistungen reduziert; sie waren die Elemente, aus
 
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