Metadaten

Vogel, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 5. Abhandlung): Studien über den Schwindel — Berlin, 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43672#0015
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Studien über den Schwindel

15

spielen für seine Theorie des Schwindels nur eine untergeordnete
Rolle. Das Organ, das der Gleichgewichtsregulierung schlechthin,
fast in spezifischer Weise, dient, ist das Labyrinth.
Wie vollzieht sich diese Regulierung? An labyrinthlosen Tieren
fiel eine Schwäche und eine Herabsetzung der groben Kraft der
Bewegungen auf, die besonders eindrucksvoll an den Kopfbewegun-
gen und an der Kopfhaltung der Taube zu demonstrieren war.
Damit verbunden war ein Mangel der Präzision aller willkürlichen
Muskelaktionen: des Stehens, Gehens und Fliegens. Da es sich nicht
um regelrechte Lähmungen handelte, so schloß Ewald, daß von den
Labyrinthen ein tonisierender Einfluß auf die gesamte Skelett-
muskulatur ausginge (sogenannter Labyrinthtonus). Allerdings traf
dieser Einfluß nicht alle Muskeln in gleicher Weise. Die Prüfung der
einzelnen Muskelgruppen und die nach einseitiger Labyrinthentfer-
nung auftretenden spiraligen Verdrehungen wiesen darauf hin, daß
die funktionellen Beziehungen in dieser Hinsicht engere, wie z. B.
zu den Augen- und Halsmuskeln, und entferntere sein konnten.
Ähnliches ergab sich für die beiden Körperhälften. Vermehrung und
Verminderung dieses Labyrinthtonus führen zu Kontraktion und
Erschlaffung der Muskeln, deren Effekt eine Bewegung oder eine
Bewegungshemmung des Tieres ist. Die adäquaten Reize für dieses
Tonuslabyrinth, wie Ewald den nicht akustischen Anteil des End-
organs des 8. Hirnnerven nannte, sind die Kopfbewegungen, dann
auch die Körperbewegungen, die mit einer Verschiebung der Endo-
lymphe verbunden sind und so den Erregungszustand des Rezeptors
verändern. Auf die Einzelheiten der Reizübertragung soll hier nicht
näher eingegangen werden. Ewald vermutete, daß der Bogengangs-
apparat vor allem auf Rotationsbewegungen, der Otolithenapparat
auf Progressivbewegungen anspreche. Das Spiel der Gleichgewichts-
regulierung ist also in der Weise zu denken, daß auf eine passive
Bewegung des Körpers hin die Ampullarorgane in Erregung geraten
und tonusfördernde bzw. tonushemmende Impulse aussenden, deren
motorischer Effekt eine Gegenbewegung des Körpers zur Gleich-
gewichtshaltung hin ist. Bestimmend für diesen Effekt sind im
wesentlichen die Vorgänge im peripheren Rezeptor. Ausdrücklich
bemerkt Ewald, daß dieser vom Labyrinth unterhaltene und regu-
lierte Muskeltonus nicht durch Sinnestätigkeit erklärbar ist, und
seine Darstellung zeigt deutlich, daß die Tonusregulierung reflek-
torischen Charakter trägt. Das Zentrum für diese Regulierung, das
sogenannte Gleichgewichtszentrum, wurde von Ewald im Bech-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften