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Adolf Mayer
Arbeitsteilung von anderen dazu geeigneten Handwerkern ge-
macht und zum Tausch oder später gegen Bezahlung auf den
Markt gebracht. Dann muß der Jäger oder der Ackerbauer das
von anderen verfertigte Werkzeug erstehen, ehe er selbst an
seine Arbeit gehen kann. Er wird von diesem Anderen ab-
hängig. Und diese Abhängigkeit ist die Keimzelle des Ka-
pitals.
Wir erleben es ja heute am eigenen Leibe in der Erscheinung
der nicht zu bändigenden Arbeitslosigkeit. Arbeitswille ist
vorhanden, und auch der Mangel an bestimmten Gütern, z. B.
gesunden Wohnungen für die Bevölkerung der Großstädte. Aber
das Kapital des Bauunternehmers fehlt, das bereit wäre, zu so
elenden Bedingungen, als sie jetzt gewährt werden können,
genügend billige Wohnungen zu schaffen.
Der Besitzer des Werkzeuges nun ist der Kapitalist, der
freilich in den Augen des Arbeiters nur der ist, der Geld besitzt,
der aber, wenn er nur Geld besäße, höchstens bestohlen werden
würde, aber nicht bekämpft als der Blutsauger im Arbeitsprozeß.
Nur daß das Kapital, um das es sich handelt, auf den höheren
Kulturstufen nicht Bogen oder Pflug mehr heißt, sondern Fabrik-
gebäude, Maschinen und dazu ein tüchtiges Bankkonto, um all
die vielerlei Vorschüsse zu bezahlen, die für die fabrikmäßige,
konkurrenzfähige Erzeugung gangbarer Ware unumgänglich sind.
Nun aber muß der endgültige Gewinn aus dem Vertriebe dieser
geteilt werden zwischen den Arbeitern am Erzeugnisse und dem
Fabrikbesitzer. Beim Teilen aber entsteht zwischen Wesen
menschlicher Art mit überwiegendem Eigenbelang leicht Streit,
und beim Streit (in diesem Falle die soziale Frage genannt),
wurde im 19. Jahrhundert im einseitigen Interesse des Kapitals,
jetzt im 20. vielfach im Sinne der Arbeiter entschieden, während
eine gerechte Entscheidung noch in der Wiege liegt. Und das
ist einer der Gründe, auf den wir hier zum ersten Male stoßen,
warum ein wirtschaftliches Gleichgewicht nicht einfach mit den
bis jetzt begrifflich klar zu Tage liegenden Momenten gelöst
werden kann. Ein sittliches, außerhalb des rein wirtschaftlichen
Moments muß hinzukommen, um diesen Streit zu schlichten.
Kapitalist und Arbeiter ziehen an den beiden Enden des er-
zeugten Gutes und können niemals zu einer billigen Entscheidung
kommen, ohne die Mitwirkung eines mächtigen Dritten, eines
vom Staate zu stellenden Schiedsgerichtes. Deshalb aber darf
Adolf Mayer
Arbeitsteilung von anderen dazu geeigneten Handwerkern ge-
macht und zum Tausch oder später gegen Bezahlung auf den
Markt gebracht. Dann muß der Jäger oder der Ackerbauer das
von anderen verfertigte Werkzeug erstehen, ehe er selbst an
seine Arbeit gehen kann. Er wird von diesem Anderen ab-
hängig. Und diese Abhängigkeit ist die Keimzelle des Ka-
pitals.
Wir erleben es ja heute am eigenen Leibe in der Erscheinung
der nicht zu bändigenden Arbeitslosigkeit. Arbeitswille ist
vorhanden, und auch der Mangel an bestimmten Gütern, z. B.
gesunden Wohnungen für die Bevölkerung der Großstädte. Aber
das Kapital des Bauunternehmers fehlt, das bereit wäre, zu so
elenden Bedingungen, als sie jetzt gewährt werden können,
genügend billige Wohnungen zu schaffen.
Der Besitzer des Werkzeuges nun ist der Kapitalist, der
freilich in den Augen des Arbeiters nur der ist, der Geld besitzt,
der aber, wenn er nur Geld besäße, höchstens bestohlen werden
würde, aber nicht bekämpft als der Blutsauger im Arbeitsprozeß.
Nur daß das Kapital, um das es sich handelt, auf den höheren
Kulturstufen nicht Bogen oder Pflug mehr heißt, sondern Fabrik-
gebäude, Maschinen und dazu ein tüchtiges Bankkonto, um all
die vielerlei Vorschüsse zu bezahlen, die für die fabrikmäßige,
konkurrenzfähige Erzeugung gangbarer Ware unumgänglich sind.
Nun aber muß der endgültige Gewinn aus dem Vertriebe dieser
geteilt werden zwischen den Arbeitern am Erzeugnisse und dem
Fabrikbesitzer. Beim Teilen aber entsteht zwischen Wesen
menschlicher Art mit überwiegendem Eigenbelang leicht Streit,
und beim Streit (in diesem Falle die soziale Frage genannt),
wurde im 19. Jahrhundert im einseitigen Interesse des Kapitals,
jetzt im 20. vielfach im Sinne der Arbeiter entschieden, während
eine gerechte Entscheidung noch in der Wiege liegt. Und das
ist einer der Gründe, auf den wir hier zum ersten Male stoßen,
warum ein wirtschaftliches Gleichgewicht nicht einfach mit den
bis jetzt begrifflich klar zu Tage liegenden Momenten gelöst
werden kann. Ein sittliches, außerhalb des rein wirtschaftlichen
Moments muß hinzukommen, um diesen Streit zu schlichten.
Kapitalist und Arbeiter ziehen an den beiden Enden des er-
zeugten Gutes und können niemals zu einer billigen Entscheidung
kommen, ohne die Mitwirkung eines mächtigen Dritten, eines
vom Staate zu stellenden Schiedsgerichtes. Deshalb aber darf