Wege psychophysischer Forschung
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weil sie ihm noch Problem, also Aufgabe blieb. So hat er gerade
schon auf der Höhe sinnesphysiologischer Forschung die Unzu-
länglichkeit der Elementaranalyse der Wahrnehmung gegen
Fechner und gegen Ernst Mach vertreten, auch die Unmöglichkeit
der Helmholtz’schen Annahme urteilsähnlicher Wahrnehmungs-
funktionen durchschaut. Er stellte eine neue Aufgabe, bei deren
Lösung er selbst entsagte.
Die Elementaranalyse von Empfindung und Wahrnehmung
steht und fällt mit der Annahme, daß zwischen Reiz und Emp-
findung eine konstante Beziehung besteht und daß diese Kon-
stanz gewährleistet ist durch einen physiologischen, möglichst
einfach gedachten Vorgang wie etwa der Erregung eines Nerven-
elementes nach einem Alles-oder-nichts-Gesetz. Diese sogenannte
Konstanzannahme galt als erhärtet durch die Konstanz der soge-
nannten Schwellen: so nannte man die Reizgröße, welche eben
merkliche Empfindungen oder Empfindungsunterschiede auslöst.
Wir wählen diesen Begriff der Schwelle als ersten, um aus-
zusagen, daß diese Schwellenkonstanz sich ebensogut als Erfolg
einer Konstanz von Versuchsbedingungen wie als Ausdruck eines
physiologischen Elementarvorganges oder psychophysischen Ele-
mentargesetzes darstellen läßt. Die Realität eines solchen Elemen-
targeschehens wurde zweifelhaft, als man ferner sah, daß der
von einer Stelle eines Sinnesfeldes ausgehende Vorgang nicht
nur von ihr selbst, sondern von seiner Stimmung, seinem Um-
felde, ja von ganz anderen Sinnesorganen mitgestaltet wird.
Regeln des Kontrastes, der Synästhesie, der Gestaltprägnanz, der
sogenannten Aufmerksamkeit u. v. a. bestimmen Schwelle, aber
auch Qualität der Empfindung. Der akzessorischen Bedingungen,
wie man sie nannte, wurden immer mehr. Die Elementarvor-
stellung wurde unwahrscheinlich, als sich zeigte, daß im geschä-
digten Organ, etwa bei Rückenmarks- und Hinherden, entgegen
der Erwartung im reduzierten System die Schwellen der angeb-
lichen Elementarfunktionen nicht reiner und konstanter, gleichsam
desintegriert, sondern noch öfter gerade inkonstanter und zugleich
summarischer erschienen. Ganz neue Qualitäten treten auf, die
Verschmelzung im reduzierten System ist vollständiger, der an-
geblichen Synthese der Elemente scheint mehr anstatt weniger
geworden zu sein. Mehr befriedigte jetzt die Annahme, die soge-
nannten Elementarfunktionen seien Produkte eines relativ recht
hochstrukturierten Zusammenwirkens von komplexen, oder wie
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weil sie ihm noch Problem, also Aufgabe blieb. So hat er gerade
schon auf der Höhe sinnesphysiologischer Forschung die Unzu-
länglichkeit der Elementaranalyse der Wahrnehmung gegen
Fechner und gegen Ernst Mach vertreten, auch die Unmöglichkeit
der Helmholtz’schen Annahme urteilsähnlicher Wahrnehmungs-
funktionen durchschaut. Er stellte eine neue Aufgabe, bei deren
Lösung er selbst entsagte.
Die Elementaranalyse von Empfindung und Wahrnehmung
steht und fällt mit der Annahme, daß zwischen Reiz und Emp-
findung eine konstante Beziehung besteht und daß diese Kon-
stanz gewährleistet ist durch einen physiologischen, möglichst
einfach gedachten Vorgang wie etwa der Erregung eines Nerven-
elementes nach einem Alles-oder-nichts-Gesetz. Diese sogenannte
Konstanzannahme galt als erhärtet durch die Konstanz der soge-
nannten Schwellen: so nannte man die Reizgröße, welche eben
merkliche Empfindungen oder Empfindungsunterschiede auslöst.
Wir wählen diesen Begriff der Schwelle als ersten, um aus-
zusagen, daß diese Schwellenkonstanz sich ebensogut als Erfolg
einer Konstanz von Versuchsbedingungen wie als Ausdruck eines
physiologischen Elementarvorganges oder psychophysischen Ele-
mentargesetzes darstellen läßt. Die Realität eines solchen Elemen-
targeschehens wurde zweifelhaft, als man ferner sah, daß der
von einer Stelle eines Sinnesfeldes ausgehende Vorgang nicht
nur von ihr selbst, sondern von seiner Stimmung, seinem Um-
felde, ja von ganz anderen Sinnesorganen mitgestaltet wird.
Regeln des Kontrastes, der Synästhesie, der Gestaltprägnanz, der
sogenannten Aufmerksamkeit u. v. a. bestimmen Schwelle, aber
auch Qualität der Empfindung. Der akzessorischen Bedingungen,
wie man sie nannte, wurden immer mehr. Die Elementarvor-
stellung wurde unwahrscheinlich, als sich zeigte, daß im geschä-
digten Organ, etwa bei Rückenmarks- und Hinherden, entgegen
der Erwartung im reduzierten System die Schwellen der angeb-
lichen Elementarfunktionen nicht reiner und konstanter, gleichsam
desintegriert, sondern noch öfter gerade inkonstanter und zugleich
summarischer erschienen. Ganz neue Qualitäten treten auf, die
Verschmelzung im reduzierten System ist vollständiger, der an-
geblichen Synthese der Elemente scheint mehr anstatt weniger
geworden zu sein. Mehr befriedigte jetzt die Annahme, die soge-
nannten Elementarfunktionen seien Produkte eines relativ recht
hochstrukturierten Zusammenwirkens von komplexen, oder wie