Theophrasts von Hohenheim. I.
5
1. Die Polemik.
Die beiden Fassungen beginnen mit einer Polemik gegen den
damaligen Stand der Medizin. Polemische Bemerkungen und
Abschweifungen finden sich dann auch weiter noch an vielen
Stellen. Wir erfahren daraus zwanzig verschiedene „Imposturen
der Arznei“, die Hohenheim vorfand, „do durch die kranken ver-
derbt sind worden“. „Die erst impostur, sind doctores. Die ander
durch schmirben, die dritt durch reuchen, die viert mit ezen, die
fünft mit waschen, die sechst mit schneiden, .... die elft von
der heiligen wegen, .... die dreizehnt durch das Holz (Guajac),
die vierzehnt so die Juden angericht haben .... die achtzehnt
vom brennen“ usf.
Eine lange Liste der ärztlichen Polypragmasie, interessant für
den Medizinhistoriker auch wegen der vielen Einzelheiten, die
mitgeteilt werden. Darüber hinaus scheinen sie aber für das Ver-
ständnis der dann folgenden Darstellung keine Bedeutung zu
haben.
Es ist bekannt, daß sich solche polemischen Abschnitte in
fast allen parazelsischen Schriften finden. Sie sind in ihrer ganzen
unmißverständlichen Deutlichkeit oft zitiert, wohl auch deshalb,
weil sich in diesem Bezirk die Terminologie merkwürdig wenig ge-
ändert hat. In einer Defensio aus dem Jahr 1537 „zu entschuldigen
sein wunderlich weis und zornige Art“ hat Parazelsus selbst dazu
Stellung genommen — eine Stelle, die eine Art eiserner Bestand
seiner Biographen geworden ist: „von der natur bin ich nicht
subtil gespunnen, ist auch nicht meins lants art, das man was
mit seidenspinnen erlange, wir werden auch nicht mit feigen er-
zogen, noch mit met, noch mit weizenbrot, aber mit kes, milch
und haberbrot: es kan nicht subtil gesellen machen, zu dem das
eiin alle sein tag anhengt, das er in der iugent entpfangen hat;
dieselbig ist nur vast grob sein gegen subtillen, kazreinen, super-
feinen“ 2).
Trotz dieses Selbstzeugnisses ist aber die Art der Polemik
durch die Rückführung auf die Biographie nicht erschöpft. Er legt
selbst sehr großen Wert auf die Polemik: „will aber iedoch, das
meine vorreden gleich dem text gehalten werden“ 3). Sie erhebt
sich etwa in der Syphilisschrift von 1528 über das massive
2) XI, 151. (Alle Zitate nach der großen SUDHOFFschen Ausgabe.)
3) VI, 331.
5
1. Die Polemik.
Die beiden Fassungen beginnen mit einer Polemik gegen den
damaligen Stand der Medizin. Polemische Bemerkungen und
Abschweifungen finden sich dann auch weiter noch an vielen
Stellen. Wir erfahren daraus zwanzig verschiedene „Imposturen
der Arznei“, die Hohenheim vorfand, „do durch die kranken ver-
derbt sind worden“. „Die erst impostur, sind doctores. Die ander
durch schmirben, die dritt durch reuchen, die viert mit ezen, die
fünft mit waschen, die sechst mit schneiden, .... die elft von
der heiligen wegen, .... die dreizehnt durch das Holz (Guajac),
die vierzehnt so die Juden angericht haben .... die achtzehnt
vom brennen“ usf.
Eine lange Liste der ärztlichen Polypragmasie, interessant für
den Medizinhistoriker auch wegen der vielen Einzelheiten, die
mitgeteilt werden. Darüber hinaus scheinen sie aber für das Ver-
ständnis der dann folgenden Darstellung keine Bedeutung zu
haben.
Es ist bekannt, daß sich solche polemischen Abschnitte in
fast allen parazelsischen Schriften finden. Sie sind in ihrer ganzen
unmißverständlichen Deutlichkeit oft zitiert, wohl auch deshalb,
weil sich in diesem Bezirk die Terminologie merkwürdig wenig ge-
ändert hat. In einer Defensio aus dem Jahr 1537 „zu entschuldigen
sein wunderlich weis und zornige Art“ hat Parazelsus selbst dazu
Stellung genommen — eine Stelle, die eine Art eiserner Bestand
seiner Biographen geworden ist: „von der natur bin ich nicht
subtil gespunnen, ist auch nicht meins lants art, das man was
mit seidenspinnen erlange, wir werden auch nicht mit feigen er-
zogen, noch mit met, noch mit weizenbrot, aber mit kes, milch
und haberbrot: es kan nicht subtil gesellen machen, zu dem das
eiin alle sein tag anhengt, das er in der iugent entpfangen hat;
dieselbig ist nur vast grob sein gegen subtillen, kazreinen, super-
feinen“ 2).
Trotz dieses Selbstzeugnisses ist aber die Art der Polemik
durch die Rückführung auf die Biographie nicht erschöpft. Er legt
selbst sehr großen Wert auf die Polemik: „will aber iedoch, das
meine vorreden gleich dem text gehalten werden“ 3). Sie erhebt
sich etwa in der Syphilisschrift von 1528 über das massive
2) XI, 151. (Alle Zitate nach der großen SUDHOFFschen Ausgabe.)
3) VI, 331.