Metadaten

Achelis, Johann Daniel [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1938, 9. Abhandlung): Über die Syphilisschriften Theophrasts von Hohenheim: Die Pathologie der Syphilis, 1 — Heidelberg, 1939

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43755#0004
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

J. D. Achelis: Syphilisschriften

Weniger einheitlich ist die inhaltliche Beurteilung im Lauf der
Jahrhunderte gewesen. Neben schärfster Ablehnung steht hier —
besonders in neuerer Zeit — die enthusiastische Zustimmung.
Im Grunde ist die Bewertung der Syphilisschriften immer durch die
Einschätzung ihres Autors vorgegeben gewesen. Das Verfahren
ist hier durch die vier Jahrhunderte, die inzwischen verflossen
sind, im wesentlichen immer das gleiche gewesen. Man durch-
blättert die Schriften, notiert, was einem dabei auffällt (so be-
schreibt etwa der im übrigen verdienstvolle Historiker der Lues,
Hensler, 1783 sein Vorgehen) und zieht daraus seine Schlüsse.
Gegen die halben Wahrheiten, die so gewonnen werden, läßt
sich wissenschaftlich kaum argumentieren.
Wir möchten deshalb die Frage nach der Bewertung zurück-
stellen und zunächst nur versuchen, den inneren systematischen
Aufbau der Syphilisschriften darzustellen. Ein derartiger Versuch
ist eine These, die einer verbreiteten Meinung widerspricht. Noch
der kürzlich verstorbene Sudhoff, der durch seine Gesamtaus-
gabe die gegenwärtige Parazelsusforschung erst ermöglicht hat,
vertrat immer die Meinung, daß die zweifellos echten, streng
systematischen Schriften Jugendsünden gewesen wären, die dann
einer konkreten Darstelluug in späteren Jahren Platz gemacht
hätten. Daß Parazelsus ein konsequenter medizinischer Denker
war, der das Nachdenken lohnt, wird also durch die Analyse erst
unter Beweis zu stellen sein.
Wir sind nun aus vielen historischen und gegenwärtigen Er-
fahrungen zu der Annahme berechtigt, daß die Geschlossenheit
eines Systems und sein Erkenntniswert in der Medizin im um-
gekehrten Verhältnis zueinander stehen. Es wird daher zweitens
zu fragen sein, wie weit den Syphilisschriften in ihrem syste-
matischen Fortgang echte Naturbeobachtung zu Grunde liegt, oder
wie weit der Zwang des Systems sich als maßgebend erweist,
ob also die Natur denkend erfaßt wird, oder nur über sie hin-
gedacht wird. Im ersten Fall würde eine wahre Naturphilo-
sophie vorliegen — ein so seltener Fall, daß der Naturwissen-
schaftler wohl der Meinung zuneigen wird, daß man entweder
wahre Natur oder Philosophie aber nicht beides in einem haben
könnte. Im anderen Fall läge eines jener zahlreichen Gedanken-
gebäude vor, die die Natur verfehlen und die als Erscheinungen
der Geistesgeschichte erschöpfend behandelt werden können, eben
weil sie die Natur nicht enthalten. Erst nach Entscheidung dieser
Frage ist meines Erachtens eine Bewertung des Werks möglich.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften