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Ludwig Bieberbach:
schäft als der Umstand, ob man mit Tinte oder mit Blei schreibt.
Bei einigem Nachdenken wird man sich der Poincare’sehen
Auffassung zuneigen und den Grund für die verschiedene Ein-
stellung zum Mathematischen in der Verschiedenheit der Veran-
lagung finden. Erfahrungen aus unserer eigenen Schulzeit sprechen
jedenfalls dafür, daß es verschiedene Typen mathematischer Be-
gabung gibt. Da waren Mitschüler, welchen die Algebra schwer
fiel; aber in der Geometrie kamen sie schön zurecht. Bei anderen
war es gerade umgekehrt. Dann trat vielleicht einmal ein Wechsel
des Lehrers ein. Mit einem Male wurden aus einigen schlechten
Mathematikern gute und aus einigen guten Mathematikern in
der Klasse allmählich schlechte. Die Art des Unterrichtes sprach
eben verschiedene Begabungstypen verschieden an.
Nun gibt vielleicht mancher zu, daß es verschiedene Bega-
bungstypen geben mag. Aber trotzdem scheint das nicht weiter
wichtig zu sein und des Nachdenkens und des Hervorhebens
nicht wert. Denn bei einigem Bemühen, meint man, kann sich
jeder in fremdartig anmutende Gedankengänge finden und schließ-
lich verstehen, was der andere meint. Gewiß, das ist zu einem
gewissen Maß richtig, aber legen wir uns nicht gar zu gerne
nach unserer Weise zurecht, was wir lesen und hören? Ferner:
handelt es sich denn bei dem schöpferischen Mathematiker darum,
fremde Gedanken zu verstehen? Nein, in erster Linie geht es
darum, Neues zu finden und zu gestalten, und das quillt ganz
anders aus dem Inneren des Menschen, aus dem Ursprung seiner
Begabung, als das Verstehen fremder Gedanken.
Es wird jedem Nationalsozialisten eine Gewißheit sein, daß
wir in allem, was wir selbständig tun, abhängig und beeinflußt
sind von den Anlagen, die uns unsere Abstammung in die Wiege
legte, und zwar um so mehr, je mehr wir wir selber sind in
unseren Leistungen.
Mathematiker von Rang haben gelegentlich die Tätigkeit des
mathematischen Forschers mit dem Schaffen des Dichters ver-
glichen. Beide stellen aus der Werkstatt ihres Geistes Gestalten
vor uns hin. Zwischen Naturalismus und Expressionismus ist da
Raum für die verschiedensten Typen von Dichtern. Ein jeder
schafft in seiner Art. Viele erscheinen uns untereinander ver-
wandt, andere wieder ganz verschieden in ihrem Schaffensstil.
Stifter’s ausgeglichenes Gemüt wird wohl niemand mit der
gedankenschweren Art Kolbenheyer’s verwechseln; zwischen
Ludwig Bieberbach:
schäft als der Umstand, ob man mit Tinte oder mit Blei schreibt.
Bei einigem Nachdenken wird man sich der Poincare’sehen
Auffassung zuneigen und den Grund für die verschiedene Ein-
stellung zum Mathematischen in der Verschiedenheit der Veran-
lagung finden. Erfahrungen aus unserer eigenen Schulzeit sprechen
jedenfalls dafür, daß es verschiedene Typen mathematischer Be-
gabung gibt. Da waren Mitschüler, welchen die Algebra schwer
fiel; aber in der Geometrie kamen sie schön zurecht. Bei anderen
war es gerade umgekehrt. Dann trat vielleicht einmal ein Wechsel
des Lehrers ein. Mit einem Male wurden aus einigen schlechten
Mathematikern gute und aus einigen guten Mathematikern in
der Klasse allmählich schlechte. Die Art des Unterrichtes sprach
eben verschiedene Begabungstypen verschieden an.
Nun gibt vielleicht mancher zu, daß es verschiedene Bega-
bungstypen geben mag. Aber trotzdem scheint das nicht weiter
wichtig zu sein und des Nachdenkens und des Hervorhebens
nicht wert. Denn bei einigem Bemühen, meint man, kann sich
jeder in fremdartig anmutende Gedankengänge finden und schließ-
lich verstehen, was der andere meint. Gewiß, das ist zu einem
gewissen Maß richtig, aber legen wir uns nicht gar zu gerne
nach unserer Weise zurecht, was wir lesen und hören? Ferner:
handelt es sich denn bei dem schöpferischen Mathematiker darum,
fremde Gedanken zu verstehen? Nein, in erster Linie geht es
darum, Neues zu finden und zu gestalten, und das quillt ganz
anders aus dem Inneren des Menschen, aus dem Ursprung seiner
Begabung, als das Verstehen fremder Gedanken.
Es wird jedem Nationalsozialisten eine Gewißheit sein, daß
wir in allem, was wir selbständig tun, abhängig und beeinflußt
sind von den Anlagen, die uns unsere Abstammung in die Wiege
legte, und zwar um so mehr, je mehr wir wir selber sind in
unseren Leistungen.
Mathematiker von Rang haben gelegentlich die Tätigkeit des
mathematischen Forschers mit dem Schaffen des Dichters ver-
glichen. Beide stellen aus der Werkstatt ihres Geistes Gestalten
vor uns hin. Zwischen Naturalismus und Expressionismus ist da
Raum für die verschiedensten Typen von Dichtern. Ein jeder
schafft in seiner Art. Viele erscheinen uns untereinander ver-
wandt, andere wieder ganz verschieden in ihrem Schaffensstil.
Stifter’s ausgeglichenes Gemüt wird wohl niemand mit der
gedankenschweren Art Kolbenheyer’s verwechseln; zwischen