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W. SOERGEL: Der Klimacharakter
formen weit in klimatisch begünstigtere Gebiete vorgestoßen sein,
überdies ist damit zu rechnen, daß im Sommer anspruchsvollere
Tiere aus ihren Hauptstandrevieren gegen Osten und Nordosten in
Gebiete zogen, die die Kaltformen auf ihren Herbstwanderungen
frühzeitig erreichten. Eine Mischfauna im Sinne eines wirklich
gleichzeitigen Vorkommens, eines zeitweiligen Miteinanderlebens
klimatisch verschieden angepaßter Tiere braucht dabei, wenigstens
in Mittel- und Teilen Westeuropas, nicht einmal bestanden zu ha-
ben, es erfolgte in weiten Gebieten beim Großwild nur eine im
Wechsel der Jahreszeiten gebundene Ablösung. Aber es sammelten
sich in den Gesteinsbildungen dieser Gebiete gemischte Toten-
gemeinschaften, fossile Mischfaunen. Sie finden sich im Mittel- und
Jungdiluvium in weiter Verbreitung und sind von vornherein über -
all dort zu erwarten, wo die Kaltformen während der Eiszeiten
hinkamen. Sie charakterisieren eine breite Grenzzone zwischen den
Gebieten, in denen nur kalte und in denen nur gemäßigte Tiere zur
Zeit der Vereisungen lebten. Diese Grenzzone verschob sich mit
dem Vorstoßen der Eismassen und der Ausweitung des periglazia-
len Gürtels hochnordischen Klimas. Gebiete, die in einer frühen
Phase eines Eisvorstoßes von den Kaltformen nur im Winter er-
reicht wurden, waren später ihre Sommerreviere. Es handelt sich
um eine Grenzfazies, die bis zum Hochstand der Vereisungen über
weite Gebiete gewandert ist; deshalb sind im Zeitrahmen einer vor-
stoßenden Vereisung die Mischfaunen in nördlicheren Gebieten
älter als in südlicheren und westlicheren.
Was zusammen mit den kalten Zu Wanderern in solchen Misch-
faunen an nicht-kalten Säugetieren vorkommt, ist nicht entschei-
dend für die Frage nach dem Klimacharakter der Kaltformen und
nach dem Ausmaß ihrer Eurythermie. Denn diese Zuwanderer er-
schienen nur in der kalten Jahreszeit — einer sommerlichen Aus-
breitung in weniger klimaharte Gebiete waren unter anderem auch
durch die Insekten Grenzen gesetzt (vgl. Soergel 1919, S. 45) — und
blieben damit auch dort, wo die mittlere Jahres- und Sommertem-
peratur hölier lagen als in ihren Sommerrevieren, in einem ihnen
entsprechenden Kaltklima.
Entscheidend bleibt für die klimatische Beurteilung der Kalt-
formen des Mittel- und Jungdiluviums
ihr Fehlen in wirklich interglazialen Ablagerungen,
ihr Erscheinen erst in einer fortgeschrittenen Vorstoßphase der
Vereisungen,
W. SOERGEL: Der Klimacharakter
formen weit in klimatisch begünstigtere Gebiete vorgestoßen sein,
überdies ist damit zu rechnen, daß im Sommer anspruchsvollere
Tiere aus ihren Hauptstandrevieren gegen Osten und Nordosten in
Gebiete zogen, die die Kaltformen auf ihren Herbstwanderungen
frühzeitig erreichten. Eine Mischfauna im Sinne eines wirklich
gleichzeitigen Vorkommens, eines zeitweiligen Miteinanderlebens
klimatisch verschieden angepaßter Tiere braucht dabei, wenigstens
in Mittel- und Teilen Westeuropas, nicht einmal bestanden zu ha-
ben, es erfolgte in weiten Gebieten beim Großwild nur eine im
Wechsel der Jahreszeiten gebundene Ablösung. Aber es sammelten
sich in den Gesteinsbildungen dieser Gebiete gemischte Toten-
gemeinschaften, fossile Mischfaunen. Sie finden sich im Mittel- und
Jungdiluvium in weiter Verbreitung und sind von vornherein über -
all dort zu erwarten, wo die Kaltformen während der Eiszeiten
hinkamen. Sie charakterisieren eine breite Grenzzone zwischen den
Gebieten, in denen nur kalte und in denen nur gemäßigte Tiere zur
Zeit der Vereisungen lebten. Diese Grenzzone verschob sich mit
dem Vorstoßen der Eismassen und der Ausweitung des periglazia-
len Gürtels hochnordischen Klimas. Gebiete, die in einer frühen
Phase eines Eisvorstoßes von den Kaltformen nur im Winter er-
reicht wurden, waren später ihre Sommerreviere. Es handelt sich
um eine Grenzfazies, die bis zum Hochstand der Vereisungen über
weite Gebiete gewandert ist; deshalb sind im Zeitrahmen einer vor-
stoßenden Vereisung die Mischfaunen in nördlicheren Gebieten
älter als in südlicheren und westlicheren.
Was zusammen mit den kalten Zu Wanderern in solchen Misch-
faunen an nicht-kalten Säugetieren vorkommt, ist nicht entschei-
dend für die Frage nach dem Klimacharakter der Kaltformen und
nach dem Ausmaß ihrer Eurythermie. Denn diese Zuwanderer er-
schienen nur in der kalten Jahreszeit — einer sommerlichen Aus-
breitung in weniger klimaharte Gebiete waren unter anderem auch
durch die Insekten Grenzen gesetzt (vgl. Soergel 1919, S. 45) — und
blieben damit auch dort, wo die mittlere Jahres- und Sommertem-
peratur hölier lagen als in ihren Sommerrevieren, in einem ihnen
entsprechenden Kaltklima.
Entscheidend bleibt für die klimatische Beurteilung der Kalt-
formen des Mittel- und Jungdiluviums
ihr Fehlen in wirklich interglazialen Ablagerungen,
ihr Erscheinen erst in einer fortgeschrittenen Vorstoßphase der
Vereisungen,