Weshalb erkranken Frauen später an Schizophrenie?
7
halbkugel gefunden worden war (Häfner et al. 1987). Auf der Basis unseres Fall-
registers verglichen wir die saisonale Geburtsterminverteilung Schizophrener mit
der Herkunftsbevölkerung und mit einer nach Geburtsjahr und Geschlecht
parallelisierten Stichprobe. Wir konnten die abweichende Geburtsterminverteilung
für unsere eigene Region voll replizieren. Nachdem bei Erweiterung unserer Ana-
lysen auf die Gesamtheit aller geistig behinderten Jugendlichen eines Geburtsjahr-
gangs und selbst bei schwer Erkrankten aus der Gesamtpopulation psychisch
Kranker im wesentlichen dasselbe Verteilungsmuster wie bei Schizophrenen zutage
trat, mußten wir einsehen, daß dieser Befund nicht spezifisch für Schizophrenie ist.
Da es sich außerdem nur um eine leichte Verstärkung derselben saisonalen Schwan-
kungen der Geburtenhäufigkeit um das Jahresmittel handelt, die auch die Gesamt-
bevölkerung zeigt, gaben wir dieses Thema als aussichtsarm auf.
Der Einstieg: Ein konstant von der Erwartung abweichender Befund -
Geschlechtsunterschiede im Erstaufnahmealter für Schizophrenie
Kraepelin hatte schon 1909 berichtet, daß Frauen mit einer Dementia praecox - der
späteren Schizophrenie - im Durchschnitt 5-10 Jahre später erstmals zur Kranken-
hausaufnahme kommen als Männer. Dieser seither in mehr als 50 Studien in zahl-
reichen Ländern bestätigte Befund konnte bisher nicht befriedigend aufgeklärt
werden. Wir entschieden uns zu dem Versuch, dieser Frage nachzugehen, zumal die
beiden mit der ersten Krankenhausaufnahme abweichend von der Erwartung
verknüpften Variablen Alter und Geschlecht ideale Designvariablen sind. Sie sind
einfach, leicht erfaßbar, das Alter intervallskaliert, das Geschlecht unveränderlich.
Sie stehen kausal nur in einer Richtung mit Schizophrenie in Zusammenhang: Alter
und Geschlecht können allenfalls Einfluß auf Krankheitsmerkmale haben, sie können
nicht wie soziale oder psychologische Variablen auch Folge der Erkankung sein. Wir
konnten deshalb hoffen, einigermaßen klar zu verstehen, was wir untersuchen, und
verständlich zu interpretieren, was wir finden würden.
Das forschungslogische Gerüst der Studie
Damit ist die Zeit gekommen, unser forschungslogisches Gerüst mit seinen einzel-
nen Schritten von der Suchstrategie zur Hypothesengenerierung, über die Hypo-
thesenprüfung zur Aufklärung des zugrundeliegenden Zusammenhangs und seiner
-7-
7
halbkugel gefunden worden war (Häfner et al. 1987). Auf der Basis unseres Fall-
registers verglichen wir die saisonale Geburtsterminverteilung Schizophrener mit
der Herkunftsbevölkerung und mit einer nach Geburtsjahr und Geschlecht
parallelisierten Stichprobe. Wir konnten die abweichende Geburtsterminverteilung
für unsere eigene Region voll replizieren. Nachdem bei Erweiterung unserer Ana-
lysen auf die Gesamtheit aller geistig behinderten Jugendlichen eines Geburtsjahr-
gangs und selbst bei schwer Erkrankten aus der Gesamtpopulation psychisch
Kranker im wesentlichen dasselbe Verteilungsmuster wie bei Schizophrenen zutage
trat, mußten wir einsehen, daß dieser Befund nicht spezifisch für Schizophrenie ist.
Da es sich außerdem nur um eine leichte Verstärkung derselben saisonalen Schwan-
kungen der Geburtenhäufigkeit um das Jahresmittel handelt, die auch die Gesamt-
bevölkerung zeigt, gaben wir dieses Thema als aussichtsarm auf.
Der Einstieg: Ein konstant von der Erwartung abweichender Befund -
Geschlechtsunterschiede im Erstaufnahmealter für Schizophrenie
Kraepelin hatte schon 1909 berichtet, daß Frauen mit einer Dementia praecox - der
späteren Schizophrenie - im Durchschnitt 5-10 Jahre später erstmals zur Kranken-
hausaufnahme kommen als Männer. Dieser seither in mehr als 50 Studien in zahl-
reichen Ländern bestätigte Befund konnte bisher nicht befriedigend aufgeklärt
werden. Wir entschieden uns zu dem Versuch, dieser Frage nachzugehen, zumal die
beiden mit der ersten Krankenhausaufnahme abweichend von der Erwartung
verknüpften Variablen Alter und Geschlecht ideale Designvariablen sind. Sie sind
einfach, leicht erfaßbar, das Alter intervallskaliert, das Geschlecht unveränderlich.
Sie stehen kausal nur in einer Richtung mit Schizophrenie in Zusammenhang: Alter
und Geschlecht können allenfalls Einfluß auf Krankheitsmerkmale haben, sie können
nicht wie soziale oder psychologische Variablen auch Folge der Erkankung sein. Wir
konnten deshalb hoffen, einigermaßen klar zu verstehen, was wir untersuchen, und
verständlich zu interpretieren, was wir finden würden.
Das forschungslogische Gerüst der Studie
Damit ist die Zeit gekommen, unser forschungslogisches Gerüst mit seinen einzel-
nen Schritten von der Suchstrategie zur Hypothesengenerierung, über die Hypo-
thesenprüfung zur Aufklärung des zugrundeliegenden Zusammenhangs und seiner
-7-