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Häfner, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1993/1994, 1. Abhandlung): Weshalb erkranken Frauen später an Schizophrenie?: vorgetragen in der Sitzung vom 13. Februar 1993 — Berlin, Heidelberg [u.a.]: Springer, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48136#0028
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H. Häfner

Die Aufklärung des zugrundeliegenden
neurohormonalen Mechanismus
Um den neurohormonalen Mechanismus aufklären zu können, der zur Abschwä-
chung von Dopamin-Stimulationseffekten durch Östradiolbehandlung führt, unter-
suchten wir an post-mortem aufbereitetem Gehirngewebe (nucleus striatus) die
Bindung mit dem D2-Liganden Sulpirid (Häfner et al. 1991). Die Anzahl der
Bindungsstellen war zwischen östradiolbehandelten Tieren und beiden Vergleichs-
gruppen gleich. Dagegen war die Dissoziationskonstante (Kd) bei den östradiol-
behandelten neugeborenen Tieren um das 2,8fache signifikant erhöht, was auf eine
deutlich niedrigere Affinität der D2-Rezeptoren gegenüber diesem Dopamin-
antagonisten schließen läßt. Bei den erwachsenen Tieren waren die Unterschiede
zwischen den drei Gruppen nicht mehr signifikant.
Wir folgerten aus diesen Ergebnissen, daß eine langfristige Östradiolbehandlung
zu einer Verminderung der Sensitivität der D2-Rezeptoren im Gehirn führen kann
(Hypothese 2). Nachdem dieser Effekt bei neugeborenen Tieren eindeutig stärker
war als bei erwachsenen, stützt er unsere Vermutung eines frühen, möglicherweise
strukturellen Östrogeneffekts (Hypothese 1). Es scheint deshalb berechtigt zu
vermuten, daß der Neuromodulator Östrogen für die Erhöhung der Vulnerabilitäts-
schwelle für Schizophrenie und damit für das höhere Ersterkrankungsalter bei
Frauen verantwortlich ist. Östrogen setzt hier mit einem etwas unterschiedlichen
Mechanismus am selben Effektor an, an dem auch die einzige Gruppe der bei
Schizophrenie wirksamen Medikamente, die dopaminblockierenden Neuroleptika
ansetzen.
Das Absinken der Östrogensekretion in der Menopause könnte also über die
Verminderung der Schutzwirkung der Östrogene die Vulnerabilitätsschwelle für
Schizophrenie erniedrigen und so den zweiten Gipfel der Ersterkrankungen bei
Frauen erklären (unsere Hypothese 3).

Prüfung der Anwendbarkeit der Ergebnisse auf die Schizophrenie
am Menschen: Formulierung von prüfbaren Hypothesen
Damit wurden die auf der epidemiologischen Ebene generierten Hypothesen auf der
tierexperimentellen Ebene gestützt. Durch die Ergebnisse der immunhistochemi-
schen Untersuchungen am Hirngewebe einerseits und durch die partielle Analogie
mit den am selben Effektor ansetzenden Neuroleptika andererseits scheint auch der

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