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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1909, 5. Abhandlung): Über die Nachkommen künstlich veränderter Blüten von Semperivivum — Heidelberg, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.37024#0027
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Nachkommen künstl. veränderter Blüten von Sempervivum.

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Der wichtigste Weg zur Lösung des fundamentalen Erb-
lichkeitsproblems, soweit dieses überhaupt mit heutigen Mitteln
angreifbar erscheint, besteht darin, experimentell hervorgerufene
Variationen zu Mutationen, das heißt zu Artmerkmalen zu machen.
Der leitende Gedanke ist die Voraussetzung, daß die inneren
Veränderungen der Geschlechtszellen, durch welche ein Merk-
mal erblich wird, ebenso von der Außenwelt bedingt sind, wie
es sicher für die Entstehung der Variationen gilt. Nur ist es selbst-
verständlich, daß die Einwirkung sehr viel tiefer in die Struktur
der Zellen eingreifen muß, daß es auf die Zeit und die Art der
äußeren Einwirkung ankommen muß, ob ein Merkmal, wie z. B.
die Petalodie, bloß als vorübergehende Variation oder als erb-
liche Mutation erscheint. Gerade auf zoologischem Gebiet, wo
das ganze Problem sogar viel verwickelter liegt, deuten die wich-
tigen Forschungen von SlANDFUSS, FlSCHER, TOWER, KÄMMERER
immer stärker darauf hin, daß experimentell herbeigeführte
Änderungen auf die Nachkommen übertragen werden. Auf bo-
tanischem Gebiete streben die Forschungen von BLARINGHEM
(1907), Mvc DouGAL (1906) und mir (1906) gleichen Zielen zu.
Die vorliegenden Untersuchungen an Sempervivum stellen in
gleicher Richtung einen kleinen Schritt vorwärts vor; sie sind noch
nicht entscheidend genug für die Frage, ob es möglich ist, neue
Rassen auf experimentellem Wege zu gewinnen. Denn aus dem
Verhalten der ersten Generation kann man den Grad der Erb-
lichkeit nicht beurteilen. Die Einwirkung auf die Geschlechts-
zellen kann sich auf die ersten Nachkommen beschränken und
durch die Gegenwirkungen der normalen Kulturbedingungen
wieder beseitigt werden. Die weiteren Forschungen werden dar-
über Aufschluß erteilen. Immerhin ist das Auftreten der künst-
lich veränderten Merkmale in der folgenden Generation merk-
würdig genug; ein kurzer Vergleich zwischen den Mutterindi-
viduen und denjenigen Nachkommen, die verändert worden sind,
wird das Wesentliche deutlich machen.
1. Die Variationen der Blüten hei dem Mutterindividuum
traten unter besonderen Bedingungen ein (Entstehung an einem
vorher besonders ernährten Exemplar nach Entfernung der ty-
pischen Blüten); die Variationen bei den Sämlingen zeigten sich
nach mehrjähriger Kultur unter gewöhnlichen Gartenbedingungen
an den zuerst entstehenden Blüten.
 
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