Uber Äther und Materie.
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seinen Modellen die Atome geometrisch im Raume hin und her
sich verschieben und so in der Vorstellung probeweise sich um-
gruppieren lassen könnte?
Es muß auch hervorgehoben werden, daß hei der Her-
stellung der Bilder erster Art jederzeit die mechanischen Modelle
eine große Rolle gespielt haben. So ist MAXWELL zu seinen be-
rühmten Differentialgleichungen gekommen, indem er von ge-
dachten Mechanismen im Äther ausging. Aber auch umgekehrt:
das beste Bild erster Art, fertig mathematisch formuliert vor-
liegend, befriedigt nicht für die Dauer. Der Mensch ist offenbar
dazu angelegt, einen tieferen Sinn darin zu suchen und weiter
zu fragen nach dem Mechanismus der Sache. So war auch
NEWTON von seinem Gravitationsgesetze — trotz der außer-
ordentlichen Leistungen dieses Bildes — selber nicht völlig be-
friedigt. Die Frage nach einem versteckten, aber doch vor-
handenen Mechanismus, der die beiden nach seinem Gesetz auf-
einander wirkenden Massen zusammentreibe, schien ihm so-
gleich weiterhin vorznliegen, wenn auch diese Frage zu seiner
Zeit unangreifbar war und, wie wir noch sehen sollen, auch
heute noch schwer angreifbar erscheint. Das Streben, über die
bloße mathematische Beschreibung der Natur hinaus ihren
Mechanismus zu ergründen, dynamische Modelle als Bilder von
den Dingen sich zu machen, ist also so alt als die Dynamik selbst,
ist offenbar dem Menschen tief eingewurzelt. Lord KELVIN und
HERTZ hatten es in der neueren Zeit in besonderen Vordergrund
gestellt.
Die Frage ist nur diese: oh es uns auch gelingt, auf diesem
Wege die Wirklichkeit richtig abzubilden; ob der Menschengeist
überhaupt darauf eingerichtet ist, die gesamte — sagen wir nur
die unbelebte — Natur in dieser Weise in sich abzubilden. Ge-
rade heutzutage treten die entschiedensten Zweifel hierüber auf,
und vielleicht gelingt es mir, Ihnen noch heute außer von posi-
tiven Ergebnissen auch etwas von den Schwierigkeiten zu zeigen,
welche zu solchen Zweifeln Anlaß gaben.
Wollen wir aber fortschreiten, so scheint es mir, müssen
wir an dem Postulat, daß unser Geist zum Begreifen nicht
nur zum mathematischen Beschreiben — der Natur eingerichtet
sei, zunächst festhalten. Wir tun dies nunmehr und so kann ich
auch sagen, wie unser Bild der materiellen Welt aussieht, und
dann auch, worin seine heutigen Schwierigkeiten bestehen:
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seinen Modellen die Atome geometrisch im Raume hin und her
sich verschieben und so in der Vorstellung probeweise sich um-
gruppieren lassen könnte?
Es muß auch hervorgehoben werden, daß hei der Her-
stellung der Bilder erster Art jederzeit die mechanischen Modelle
eine große Rolle gespielt haben. So ist MAXWELL zu seinen be-
rühmten Differentialgleichungen gekommen, indem er von ge-
dachten Mechanismen im Äther ausging. Aber auch umgekehrt:
das beste Bild erster Art, fertig mathematisch formuliert vor-
liegend, befriedigt nicht für die Dauer. Der Mensch ist offenbar
dazu angelegt, einen tieferen Sinn darin zu suchen und weiter
zu fragen nach dem Mechanismus der Sache. So war auch
NEWTON von seinem Gravitationsgesetze — trotz der außer-
ordentlichen Leistungen dieses Bildes — selber nicht völlig be-
friedigt. Die Frage nach einem versteckten, aber doch vor-
handenen Mechanismus, der die beiden nach seinem Gesetz auf-
einander wirkenden Massen zusammentreibe, schien ihm so-
gleich weiterhin vorznliegen, wenn auch diese Frage zu seiner
Zeit unangreifbar war und, wie wir noch sehen sollen, auch
heute noch schwer angreifbar erscheint. Das Streben, über die
bloße mathematische Beschreibung der Natur hinaus ihren
Mechanismus zu ergründen, dynamische Modelle als Bilder von
den Dingen sich zu machen, ist also so alt als die Dynamik selbst,
ist offenbar dem Menschen tief eingewurzelt. Lord KELVIN und
HERTZ hatten es in der neueren Zeit in besonderen Vordergrund
gestellt.
Die Frage ist nur diese: oh es uns auch gelingt, auf diesem
Wege die Wirklichkeit richtig abzubilden; ob der Menschengeist
überhaupt darauf eingerichtet ist, die gesamte — sagen wir nur
die unbelebte — Natur in dieser Weise in sich abzubilden. Ge-
rade heutzutage treten die entschiedensten Zweifel hierüber auf,
und vielleicht gelingt es mir, Ihnen noch heute außer von posi-
tiven Ergebnissen auch etwas von den Schwierigkeiten zu zeigen,
welche zu solchen Zweifeln Anlaß gaben.
Wollen wir aber fortschreiten, so scheint es mir, müssen
wir an dem Postulat, daß unser Geist zum Begreifen nicht
nur zum mathematischen Beschreiben — der Natur eingerichtet
sei, zunächst festhalten. Wir tun dies nunmehr und so kann ich
auch sagen, wie unser Bild der materiellen Welt aussieht, und
dann auch, worin seine heutigen Schwierigkeiten bestehen: