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Leo Koenigsberger.
kenntnis ausgeht; ich wünsche der menschlichen Natur adaequater
geurteilt zu haben.“
Und in der ihm eignen Art, mit der er ihm unsympathische
Anschauungen abwies, fügte er hinzu: ,,Ich wünsche mir darum
nichts besseres, als die Anerkennung solcher Männer, die Natur
haben; deren Urteil und Befriedigung gelten mir darum tausend-
mal mehr als das sogenannter Fachmänner. Die Natur ist kein
Fach, oder sie ist wenigstens heutigen Tages nicht das Fach aller
Philosophen.“
Auf Grund der nun entwickelten Auffassung unserer Be-
ziehung zur Welt, als der Gesamtheit der Substanzen und Ge-
dankendinge, werden wir die Erkenntnisse, welche nicht auf
Wahrnehmungen und Erlebnissen äußerer oder innerer Natur sich
aufbauen, in die Gebiete des Glaubens verweisen, in den Gebieten
des Wissens dagegen Geistes- und Naturwissenschaften von-
einander scheiden, je nachdem dieselben von innerer seelischer
Erfahrung an idealen, immateriellen Objekten oder sinnlicher
Wahrnehmung der außer uns liegenden Welt ausgehen. Zu
den ersteren gehören die Logik imd die rein spekulativen Teile der
Ethik, der Ästhetik, der Sprachwissenschaften, der Geschichte,
der Sozialwissenschaften und des Naturrechts, denen die Mathe-
matik und all die einzelnen Disziplinen derjenigen Wissenschaften
gegenüberstehen, deren Forschungsgebiet durch die verschieden-
artigen Erscheinungen der äußeren Natur bestimmt wird. Aber
so wie die materielle und geistige Natur ein Ganzes bildet, das
sich nicht durch einen scharfen Schnitt in zwei wohldefinierte
Teile zerlegen läßt, so wird auch die Trennung der verschiedenen
Wissensgebiete ein beständiges Übergreifen der Wissenschaften
ineinander nicht hindern, ja sogar unabweislich erfordern. Während
diejenigen Teile der Geisteswissenschaften, welche auf dem Boden
der Erfahrung an der äußeren Natur sich aufbauen, den Natur-
wissenschaften sich einordnen, werden die biologischen Disziplinen
der Naturwissenschaften beständig auf Fragen geführt, zu deren
Beantwortung die mechanistische Weltanschauung nicht aus-
reicht; es müssen vielmehr zum Verständnis der in der lebendigen
Natur wirkenden Geistes- und Seelenkräfte die den Geisteswissen-
schaften zugesprochenen Erkenntnisvermögen zur Geltung ge-
langen.
So schließen sich in der Kette der Wissenschaften die Geistes-
und Naturwissenschaften aneinander, und wie die Logik mit den
Leo Koenigsberger.
kenntnis ausgeht; ich wünsche der menschlichen Natur adaequater
geurteilt zu haben.“
Und in der ihm eignen Art, mit der er ihm unsympathische
Anschauungen abwies, fügte er hinzu: ,,Ich wünsche mir darum
nichts besseres, als die Anerkennung solcher Männer, die Natur
haben; deren Urteil und Befriedigung gelten mir darum tausend-
mal mehr als das sogenannter Fachmänner. Die Natur ist kein
Fach, oder sie ist wenigstens heutigen Tages nicht das Fach aller
Philosophen.“
Auf Grund der nun entwickelten Auffassung unserer Be-
ziehung zur Welt, als der Gesamtheit der Substanzen und Ge-
dankendinge, werden wir die Erkenntnisse, welche nicht auf
Wahrnehmungen und Erlebnissen äußerer oder innerer Natur sich
aufbauen, in die Gebiete des Glaubens verweisen, in den Gebieten
des Wissens dagegen Geistes- und Naturwissenschaften von-
einander scheiden, je nachdem dieselben von innerer seelischer
Erfahrung an idealen, immateriellen Objekten oder sinnlicher
Wahrnehmung der außer uns liegenden Welt ausgehen. Zu
den ersteren gehören die Logik imd die rein spekulativen Teile der
Ethik, der Ästhetik, der Sprachwissenschaften, der Geschichte,
der Sozialwissenschaften und des Naturrechts, denen die Mathe-
matik und all die einzelnen Disziplinen derjenigen Wissenschaften
gegenüberstehen, deren Forschungsgebiet durch die verschieden-
artigen Erscheinungen der äußeren Natur bestimmt wird. Aber
so wie die materielle und geistige Natur ein Ganzes bildet, das
sich nicht durch einen scharfen Schnitt in zwei wohldefinierte
Teile zerlegen läßt, so wird auch die Trennung der verschiedenen
Wissensgebiete ein beständiges Übergreifen der Wissenschaften
ineinander nicht hindern, ja sogar unabweislich erfordern. Während
diejenigen Teile der Geisteswissenschaften, welche auf dem Boden
der Erfahrung an der äußeren Natur sich aufbauen, den Natur-
wissenschaften sich einordnen, werden die biologischen Disziplinen
der Naturwissenschaften beständig auf Fragen geführt, zu deren
Beantwortung die mechanistische Weltanschauung nicht aus-
reicht; es müssen vielmehr zum Verständnis der in der lebendigen
Natur wirkenden Geistes- und Seelenkräfte die den Geisteswissen-
schaften zugesprochenen Erkenntnisvermögen zur Geltung ge-
langen.
So schließen sich in der Kette der Wissenschaften die Geistes-
und Naturwissenschaften aneinander, und wie die Logik mit den