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Erb, Wilhelm Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 4. Abhandlung): Die beginnende Klärung unserer Anschauungen über den Begriff der Metasyphilis des Nervensystems — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37627#0009
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Metasyphilis des Nervensystems.

(B. 4) 9

allen Fällen festzustellen sei. Das dürfte man ja erwarten und
verlangen, und Moore geht in der Tat in seiner Skepsis so weit,
die Entscheidung der Frage, ,,ob Paralyse und Tabes immer
syphilitisch seien“, von diesem Nachweis des konstanten Vor-
kommens der Spirochäten abhängig zu machen. Darauf wird er
nun wohl recht lange warten müssen! Das scheint mir eine ganz
übertriebene Forderung zu sein.
Wenn schon jetzt, wenige Wochen nach der Entdeckung von
Noguci-ii, in 24% der Fälle (48:200) bei Paralyse der Befund
erhoben worden ist (bei der Tabes freilich nur erst viel seltener),
so ist die Erwartung berechtigt, daß dieser Prozentsatz sich rasch
steigern wird; und bei der enormen Schwierigkeit des Nachweises
der Pallida im pathologisch veränderten Hirn und Rückenmarks-
gewebe darf es uns nicht wundernehmen, wenn dieser Nachweis
nicht immer gelingt. (Unzählige Beispiele aus der Bakteriologie
lehren ja das zur Genüge!) Neuere Untersuchungsmethoden werden
denselben vielleicht aber noch erleichtern1).
1) Es sei mir gestattet, hier auf einige kurze Bemerkungen und Vor-
schläge hinzuweisen, die ich in einer demnächst, Ende Juni, erscheinenden,
aber schon im März fertig gestellten Arbeit über „Tabes“ (in der Deutschen
Zeitschr. /. Nervenheilkunde — Festschrift f. Geheimrat v. Strümpell — auf
Seite 10) gemacht habe; sie betreffen den etwaigen Nachweis von noch
aktiven Spirochäten durch Impfversuche mit ganz frischem Material
von Paralytikern und Tabikern an Affen und Kaninchen.
Solche Versuche sind, wie ich nachträglich sehe, z. T. schon gemacht
worden und sind jetzt sicherlich an vielen Stellen im Gang. Die Resultate
waren fast durchweg negativ. — Uhlenhuth und Mulzer [Berl. klin. W.
1913, Nr. 17, S. 774) berichten, daß sie mit Spinalflüssigkeit von Tabikern
und Paralytikern Kaninchen zu infizieren versuchten, bisher stets mit nega-
tivem Erfolg. — Versuche mit Impfung von Gehirnsubstanz von Paralytikern
auf Kaninchenhoden sind von ihnen eingeleitet. — Moore (1. c.) erklärt,
daß solche Versuche gemacht werden müßten, es sei aber noch nie geschehen.
— Dagegen erhielt ich von Dr. Graves, St. Louis, eine Notiz über seine sehr
ausgedehnten Versuche, Kaninchen mit Blut und Liquor von latenten Syphi-
litikern, Tabikern und Paralytikern zu infizieren und Spirochäten zu züchten,
mit fast durchweg negativem Ergebnis. Erst bei Anwendung von „Noguchi
media“ (Nährböden?) gelang es ihm in 2 Fällen — 23 und 30 Jahre nach der
Infektion! —, unreine Kulturen von Spirochäten aus dem Blut zu erhalten;
aber ich kann aus der kurzen Notiz nicht erkennen, ob es sich dabei um Tabes
oder Paralyse gehandelt hat. — Nur ein positives Resultat scheint nach einer
Notiz in der jüngsten Arbeit von Marinesco (1. c.), Landsteiner (ohne
literar. Hinweis!) gehabt zu haben, der Hirnsubstanz und Stückchen
von den Meningen eines Paralytikers auf einen Macacus verimpfte:
es erschien ein sehr leichter Primäraffekt, von dem jedoch eine weitere
Serie von Affen wirksam weiterinfiziert werden konnte.
 
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