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Erb, Wilhelm Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 4. Abhandlung): Die beginnende Klärung unserer Anschauungen über den Begriff der Metasyphilis des Nervensystems — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37627#0030
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30 (B. 4)

Erb:

Und diese Fälle betreffen jedesmal lauter verschiedene
junge Männer, die einander gar nichts angehen, und die sollen alle
miteinander so schwere metaluetische Disposition gehabt haben
und vom Zufall bei der gleichen syphilitischen Frau zusammen-
geführt worden sein! Das ist doch ganz unmöglich und undenkbar!
Wenn man auch den Einwand machen will, daß dies doch
im ganzen sehr seltene Fälle sind, die freilich nur durch ein glück-
liches Zusammentreffen zur ärztlichen Kenntnis kommen werden,
so sprechen doch auch die zahlreichen Fälle von konjugaler
Paralyse und Tabes (bei Ehegatten ist doch nicht ohne wei-
teres die ganz gleiche Disposition anzunehmen!) und ebenso die
Fälle von familiärer, infantiler Metalues mit ganz über-
wiegend gleichartiger Erkrankung in demselben Sinne.
Sie haben doch übereinstimmend und überzeugend nur die
Bedeutung, daß die individuelle Disposition der Individuen
— im weitesten Sinne des Worts — nicht von vorschlagender
Bedeutung für die Entstehung von Tabes und Paralyse sein kann,
sondern daß diese pathogene Bedeutung allein oder jedenfalls
in der Hauptsache dem syphilitischen Virus und seinen
biologischen Modifikationen (speziell der Varietät der Lues
nervosa in ihren zwei Unterarten) zukommt.
11. Und nun noch eine letzte Frage: Warum treten Tabes
und Paralyse in gewissen (meist unzivilisierten) von Syphi-
lis stark durchseuchten Ländern relativ selten auf?
Ich will dabei absehen von der Möglichkeit, daß diese Tat-
sache gar nicht zutreffend ist und von weiteren Erfahrungen des-
avouiert oder wenigstens stark eingeschränkt wird (was ja auch
z. T. bereits geschehen ist, vgl. Erb, 1. c.), sondern will zugeben,
daß sie für eine Beihe von Ländern richtig ist.
Aber auch hier scheint es mir nach all dem Vorgetragenen
doch am wahrscheinlichsten, daß der Grund dafür in der
biologischen Verschiedenheit der einzelnen Spirochä-
tenstämme und ihrer Modifikationen und Umbildungen
zu suchen ist, welche in den verschiedenen Ländern, Klimaten und
Rassen auftreten und hier immer weiter gezüchtet werden.
Die Syphilidologie hat da wohl noch mancherlei zu ergründen;
bisher hat man sich anscheinend die Sache allzu leicht gemacht.
Man dachte: Syphilis ist Syphilis! Man sollte doch einmal unter-
suchen, ob sie in verschiedenen Ländern und Klimaten, bei ver-
 
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