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Erb, Wilhelm Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 4. Abhandlung): Die beginnende Klärung unserer Anschauungen über den Begriff der Metasyphilis des Nervensystems — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37627#0012
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12 (B. 4)

W. Erb:

Wandlung der Spirochätenstämme in der angenommenen Weise
erfordert eben Zeit; die biologischen Vorgänge, welche dazu füh-
ren, können wohl sehr verschieden rasch, in wechselnder Häufig-
keit einander ablösen. Die dafür maßgebenden Bedingungen
(individuelle Eigentümlichkeiten, andere exogene und wohl auch
endogene Schädlichkeiten, Antikörper und Immunstoffe von frühe-
ren Erkrankungen her, vielleicht auch die primäre Verschieden-
heit der infizierenden Spirochäten u. dgl.) kennen wir noch nicht;
sie bilden einen Gegenstand der weiteren Forschung.
Im allgemeinen sind dazu Jahre erforderlich: die Tabes
tritt in der Regel, in der großen Mehrzahl der Fälle (70—80%)
zwischen dem 5. und 20. Jahre nach der Infektion auf, und das
gleiche gilt für die Paralyse.
Aber, und das ist fast noch schwerer zu deuten: beide Er-
krankungen kommen gelegentlich, wenn auch nur in sehr seltenen
Fällen, auch schon früher zum Ausbruch; man hat sie im
3. und selbst im 2. Jahre nach der Infektion schon auftreten sehen.
Hier müssen eben die biologischen Umwandlungsvorgänge ver-
hältnismäßig sehr rasch verlaufen sein; ob das auf der Indivi-
dualität der Kranken oder auf einer besonderen Modifikation der
Spirochäten beruht, bleibt noch Gegenstand der Forschung.
Aber schon der Hinweis auf das nicht selten beobachtete sehr früh-
zeitige Auftreten der tertiären Syphilis an Haut, Schleimhäuten,
Knochen, Drüsen usw. (Syphilis maligna, praecox, galopans)
deutet doch darauf hin, daß es sich hier um eine besondere Modi-
fikation des Krankheitserregers handelt. Aber dies alles ist noch
nicht klar1).
4. Warum hat die Metasyphilis so hervorragend
neurotrope Eigenschaften?
Es ist wohl nicht zweifelhaft, daß sie mit großer Vorliebe das
Nervensystem, besonders das zentrale, heimsucht, wenn es auch
feststeht, daß sie nicht gerade selten auch andere Gewebe und Or-
gane befallen kann; ich denke dabei vorwiegend an die Aorta
und die Gefäße; wohl auch an das Herz, die Gelenke und Kno-
chen, die Leber, die Nieren usw.2).
1) Vgl. dazu auch die Arbeit von Noethe: „Die Behandlung der Tabes
usw.“, die soeben in der Deutsch, m. Woch. 1913, Nr. 21 erschien und sich in
ähnlichem Sinne ausspricht.
2) Stargardt spricht es gelegentlich einer Demonstration von Noguchi-
präparaten durch Nonne geradezu aus: „Paralyse, Tabes, Aortitis und Arthro-
 
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