12 (B.2)
Willy Hellpach:
verschieden ist, und die ,,Regionen“ gleichen Temperaments werden
nicht bezeichnet durch klimatische oder landschaftliche Gleich-
förmigkeit, sondern durch die Stammeseinheit der die Region
erfüllenden Bevölkerung, diese Stammeseinheit selber aber wird
durch ein einziges Kriterium, die gemeinsame Mundart, charak-
terisiert. Seit rund einem Jahrtausend haben sich in Deutschland
ohne nennenswerte geographische Verschiebung eine Anzahl
Stämme, d. h. Volksglieder geschlossenen Wohnsitzes und einheit-
licher Mundart erhalten, während die Stämme des 1. Jahrtausends
n. Chr. zumeist aufgelöst, gesprengt, untergegangen sind, samt
ihren Mundarten, die z. T. (wie die burgundische) spurlos verschwun-
den sind. Dieser Tatbestand einer ungeheuren Selbsterhaltungs-
kraft der vor etwa einem Jahrtausend differenzierten Stammes-
einheiten gehört zu den fesselndsten, und wichtigsten, aber auch
ursächlich dunkelsten und verwickeltesten völkerkundlichen Tat-
beständen. Er ist in unserm Zusammenhänge nur zu konstatieren,
nicht zu analysieren. Als zu ihm gehörig ist ferner zu konstatieren
die ebenso konservative Selbstbehauptung der Temperamente der
mundartlich geschiedenen Stämme, mit z. T. sehr starken Tem-
peramentsunterschieden, ja -gegensätzen bei regional benachbarten
Stämmen. In dieser Hinsicht bilden der fränkische und der ihm
südlich angrenzende schwäbisch-alemannische Stamm ein klas-
sisches, vielleicht überhaupt das eindrucksvollste Beispiel. Bei
jedem von beiden ist das stämmische Eigentemperament über sehr
ausgedehnte Regionen hin gleichartig, um sich an der mundart-
lichen Grenze zum andern (einer seit vielen Jahrhunderten fast
unverrückten Grenze) ziemlich unvermittelt vom Eigentempera-
ment des andern abzusetzen.
20. Das fränkische Temperament ist gekennzeichnet
durch große Raschheit, Lebhaftigkeit und geringe Dauerhaftigkeit
der seelischen (reaktiven und spontanen) Erlebnisse und ihrer
Äußerungen. Die ständige motorische Bewegtheit des fränkischen
Menschen, immer prompt und stark, aber wechselhaft in Anstoß
und Ziel, bildet seit alters sein Stammeskriterium neben der frän-
kischen Mundart (die ihm gleichfalls mit Recht zugeschriebene
überwiegend heitere Qualität seiner Emotionen braucht in diesem
Zusammenhänge nicht berücksichtigt zu werden, da sie sich ebenso-
wohl — wie z. B. beim bayrischen Stamme — mit ganz anderen
formalen Erlebens- und Äußerungseigentümlichkeiten verbinden
kann, nämlich mit Langsamkeit, Nachhaltigkeit und Explosivität).
Willy Hellpach:
verschieden ist, und die ,,Regionen“ gleichen Temperaments werden
nicht bezeichnet durch klimatische oder landschaftliche Gleich-
förmigkeit, sondern durch die Stammeseinheit der die Region
erfüllenden Bevölkerung, diese Stammeseinheit selber aber wird
durch ein einziges Kriterium, die gemeinsame Mundart, charak-
terisiert. Seit rund einem Jahrtausend haben sich in Deutschland
ohne nennenswerte geographische Verschiebung eine Anzahl
Stämme, d. h. Volksglieder geschlossenen Wohnsitzes und einheit-
licher Mundart erhalten, während die Stämme des 1. Jahrtausends
n. Chr. zumeist aufgelöst, gesprengt, untergegangen sind, samt
ihren Mundarten, die z. T. (wie die burgundische) spurlos verschwun-
den sind. Dieser Tatbestand einer ungeheuren Selbsterhaltungs-
kraft der vor etwa einem Jahrtausend differenzierten Stammes-
einheiten gehört zu den fesselndsten, und wichtigsten, aber auch
ursächlich dunkelsten und verwickeltesten völkerkundlichen Tat-
beständen. Er ist in unserm Zusammenhänge nur zu konstatieren,
nicht zu analysieren. Als zu ihm gehörig ist ferner zu konstatieren
die ebenso konservative Selbstbehauptung der Temperamente der
mundartlich geschiedenen Stämme, mit z. T. sehr starken Tem-
peramentsunterschieden, ja -gegensätzen bei regional benachbarten
Stämmen. In dieser Hinsicht bilden der fränkische und der ihm
südlich angrenzende schwäbisch-alemannische Stamm ein klas-
sisches, vielleicht überhaupt das eindrucksvollste Beispiel. Bei
jedem von beiden ist das stämmische Eigentemperament über sehr
ausgedehnte Regionen hin gleichartig, um sich an der mundart-
lichen Grenze zum andern (einer seit vielen Jahrhunderten fast
unverrückten Grenze) ziemlich unvermittelt vom Eigentempera-
ment des andern abzusetzen.
20. Das fränkische Temperament ist gekennzeichnet
durch große Raschheit, Lebhaftigkeit und geringe Dauerhaftigkeit
der seelischen (reaktiven und spontanen) Erlebnisse und ihrer
Äußerungen. Die ständige motorische Bewegtheit des fränkischen
Menschen, immer prompt und stark, aber wechselhaft in Anstoß
und Ziel, bildet seit alters sein Stammeskriterium neben der frän-
kischen Mundart (die ihm gleichfalls mit Recht zugeschriebene
überwiegend heitere Qualität seiner Emotionen braucht in diesem
Zusammenhänge nicht berücksichtigt zu werden, da sie sich ebenso-
wohl — wie z. B. beim bayrischen Stamme — mit ganz anderen
formalen Erlebens- und Äußerungseigentümlichkeiten verbinden
kann, nämlich mit Langsamkeit, Nachhaltigkeit und Explosivität).