Griechische Kalender. I.
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verstehen? Es bedarf wohl bloß der Erinnerung an die unver-
gleichbare Bedeutung von Nilschwelle und Sonnenlauf, um dieses
Dilemma im letzteren Sinne zu beantworten. Kein Gott steht dem
Ägypter höher als der Sonnengott, der ihm der eigentliche Schöpfer
und Lenker der Welt ist 23); und anderseits „zählen die jährlichen
Nilfeste zu den größten Freudenfeiern im Lande“. 24) So ist die
Beschränkung auf ein Sonnen- und ein Nilfest ganz wohl verständlich.
Näherer Untersuchung bedarf jedoch vor allem die Datierung
der zwei Feste. Das Nilfest — 'Td NeiÄ.iuce wird man nach Helio-
dor Äthiop. IX 9 nicht anders verstelien können — ist auf den
22. Oktober angesetzt, dem der 25. Phaophi im alexandrinischen
(festen) Jahr entspricht. Am 25. Pliaophi ist weder in den alten
ägyptischen Kalendern noch im alexandrinischen Eestjahr ein ge-
eignetes Fest zu fmden. Der 22. Oktober entspricht dem Neu-
jahrstag (1. Thoth) des unter Euergetes I. durch clas Dekret von
Kanopus (Dittenberger OGJ I n. 56) im Jahre 238 v. Ghr. ein-
geführten, naeh dem Fundort der Inschriften gewöhnlich als „Tani-
tisch“ bezeichneten Kaienders. 25) Indes läßt sich „clas Fest aller Götter
und Göttinnen“, clas der Kalender von Eclfu an diesem Tage ver-
zeichnet, nicht wohl mit den NeiXOa unseres Kalenders in Beziehung
bringen 26); und ein wirkliches Fortleben cler Festordnung des Kano-
pischen Kalenclers ist bei clessen kurzer Geltung — er Ijestand nur
von 238 bis höchstens 196 v. Ghr., vermutlich nur bis zurn
Regierungsantritt cles Philopator (221) 27) — ausgeschlossen. Dagegen
ist von Bedeutung, daß cler Nil am Tage zuvor, am 21. Oktober, in
der Zeit cles Kanopischen Kalenders mit dem 121. Tage das „Ende
23) Erman, Die ägyptische Religion, S. 9.
24) Brugsch, Die Ägyptologie, S. 76.
25) Vgl. darüber auch Ginzel, Handbuch der Chronologie I 196 ff.
26) Ebensowenig kann natürlich an die nach Heliodor IX 9 Kaxa TpoTrd<;
hepivdi;, also Ende Juni stattfindenden NeiXiua gedacht werden, die der Roman-
schriftsteller als das größte Fest bei den Ägyptern bezeichnet. Es ist an das
Fest des Beginns der Nilschwelle — nach Brugsch Thes. inscr. Aeg. I 360 am
4. Epiphi (= 22. Juni) des festen Jahres — zu denken, wie der Zusatz ötg dpxnv
Tfi? auEnaeuti; 6 TtOTa|aö<; epcpatvei TeXoupevnv zeigt.
27) Siehe Dittenbergers Anmerkung 77. Brugsch hat freilich im Thes. I
333 erklärt, das Kanopische Jahr bilde „die Grundlage der Kalendertafeln von
Edfu und von Dendera“, aber diesen Satz in seiner „Ägyptologie“ S. 355 dahin
verb.essert, daß vielmehr das alexandrinische Jahr den Kalendern von Esne, Edfu,
Dendera zugrunde liege. Ich verdanke diesen Hinweis und weitere freundlic-he
Aufschlüsse der Güte des II. Prof. Sethe in Göttingen.
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verstehen? Es bedarf wohl bloß der Erinnerung an die unver-
gleichbare Bedeutung von Nilschwelle und Sonnenlauf, um dieses
Dilemma im letzteren Sinne zu beantworten. Kein Gott steht dem
Ägypter höher als der Sonnengott, der ihm der eigentliche Schöpfer
und Lenker der Welt ist 23); und anderseits „zählen die jährlichen
Nilfeste zu den größten Freudenfeiern im Lande“. 24) So ist die
Beschränkung auf ein Sonnen- und ein Nilfest ganz wohl verständlich.
Näherer Untersuchung bedarf jedoch vor allem die Datierung
der zwei Feste. Das Nilfest — 'Td NeiÄ.iuce wird man nach Helio-
dor Äthiop. IX 9 nicht anders verstelien können — ist auf den
22. Oktober angesetzt, dem der 25. Phaophi im alexandrinischen
(festen) Jahr entspricht. Am 25. Pliaophi ist weder in den alten
ägyptischen Kalendern noch im alexandrinischen Eestjahr ein ge-
eignetes Fest zu fmden. Der 22. Oktober entspricht dem Neu-
jahrstag (1. Thoth) des unter Euergetes I. durch clas Dekret von
Kanopus (Dittenberger OGJ I n. 56) im Jahre 238 v. Ghr. ein-
geführten, naeh dem Fundort der Inschriften gewöhnlich als „Tani-
tisch“ bezeichneten Kaienders. 25) Indes läßt sich „clas Fest aller Götter
und Göttinnen“, clas der Kalender von Eclfu an diesem Tage ver-
zeichnet, nicht wohl mit den NeiXOa unseres Kalenders in Beziehung
bringen 26); und ein wirkliches Fortleben cler Festordnung des Kano-
pischen Kalenclers ist bei clessen kurzer Geltung — er Ijestand nur
von 238 bis höchstens 196 v. Ghr., vermutlich nur bis zurn
Regierungsantritt cles Philopator (221) 27) — ausgeschlossen. Dagegen
ist von Bedeutung, daß cler Nil am Tage zuvor, am 21. Oktober, in
der Zeit cles Kanopischen Kalenders mit dem 121. Tage das „Ende
23) Erman, Die ägyptische Religion, S. 9.
24) Brugsch, Die Ägyptologie, S. 76.
25) Vgl. darüber auch Ginzel, Handbuch der Chronologie I 196 ff.
26) Ebensowenig kann natürlich an die nach Heliodor IX 9 Kaxa TpoTrd<;
hepivdi;, also Ende Juni stattfindenden NeiXiua gedacht werden, die der Roman-
schriftsteller als das größte Fest bei den Ägyptern bezeichnet. Es ist an das
Fest des Beginns der Nilschwelle — nach Brugsch Thes. inscr. Aeg. I 360 am
4. Epiphi (= 22. Juni) des festen Jahres — zu denken, wie der Zusatz ötg dpxnv
Tfi? auEnaeuti; 6 TtOTa|aö<; epcpatvei TeXoupevnv zeigt.
27) Siehe Dittenbergers Anmerkung 77. Brugsch hat freilich im Thes. I
333 erklärt, das Kanopische Jahr bilde „die Grundlage der Kalendertafeln von
Edfu und von Dendera“, aber diesen Satz in seiner „Ägyptologie“ S. 355 dahin
verb.essert, daß vielmehr das alexandrinische Jahr den Kalendern von Esne, Edfu,
Dendera zugrunde liege. Ich verdanke diesen Hinweis und weitere freundlic-he
Aufschlüsse der Güte des II. Prof. Sethe in Göttingen.