Griechische Kalender. I.
41
„ Wintervvende“; aber erst am 25. folgt, im Widerspruch dazu, jener
„Geburtstag der Sonne“, mit dem Zusatz aüHei cpuj?. Diese Notiz,
die ich schon vor einer Reihe von Jahren F. Cumont mitgeteilt habe 33),
ist die erste griechische Kalenderparallele zu jenem berühmten
Eintrag in dem Kalender des Philocaius (CJL 2 I p. 338) zum 25. De-
zember: „Natalis Invicti“. Der Zweifel, der wolil noch vereinzelt
auftaucht 34), ob Invictus den Sonnengott und nicht etwa einen
Kaiser bezeichne, mühte bei der Fassung im Antiochoskalender
verstummen, währencl umgekehrt cler Zusatz Invictus nicht un-
bedingt erforderlich wäre, um den Sonnengott des Aurelian zu
bezeichnen (vgl. Mommsen im Corpus a. a. 0.). Allein ist in einem
clurchaus für Ägypten eingerichteten Kalencler, cler wahrscheinlich
nicht sehr lange nach Ptolemaios, etwa 200 n. Ghr., entstanden ist,
diese Parallele wirklich die nächstliegende? Mit andern Worten,
ist es geboten, hier einen späteren, nach Aurelian gemachten Ein-
schub in unserem Kalender anzunehmen, oder erklärt sich die
Angabe genügend durch ägyptische Belege? Das scheint in der
Tat zuzutreffen. Wie mir H. Prof. Sethe in Göttingen schreibt, ,, ist
der Ausdruck HXiou yevehXiov eine genaue Wiedergabe des ägyp-
tischen Mesore' («Geburt der Sonne»), das, wie Ed. Meyer in den
«Nachträgen zur ägyptischen Ghronologie» (Abh. Berl. Akad. 1907)
gezeigt hat, die (von den Ägyptern allein gefeierte) Sommersonnen-
wende bezeichnete, mit der ursprünglich der Beginn des Kalender-
jahres (Sothisaufgang = i. Tag des 1. Monats der 1. Jahreszeit,
33) Er hat in seinem großen Mithraswerk davon Nachricht gegeben (I 342, 4)
mit der Bemerkung: „G'est le plus ancien temoignage cjue l'on possede, et il est
tres important pour determiner l’origine de ia conception paienne (cf. Macrobe I
18, § 10)“.
34) Vgl. Bilfingers treffliche „Untersuchungen über die Zeitrechnung der
alten Germanen“ II (Stuttg. Progr. 1901), S. 11: „Die berühmte Notiz hat das ent-
scheidende Wort «Solis» nicht und gibt anderweitigen Deutungen Raum. In-
victus ist allerdings ein stehendes Epitheton des Sol und anderer solarer Gott-
heiten. Es ist aber seit Commodus auch ein ganz gewöhnlicher Ehrentitel des
Kaisers, und namhafte Gelehrte haben bei unserer Inschrift die Beziehung auf
einen Kaiser vorgezogen.“ Man darf dagegen allerdings an den alten Jablonski
erinnern (herausgeg. von Lagarde, Mitteil. IV 225): „Mich wundert, daß, nachdem
Petavius schon vor mehr als 100 Jahren angemerkt, daß durch den Festtag «der
Geburtstag der Sonne» zu verstehen sei, gelehrte Leute, die diesen Kalender nach
ihm herausgegeben, von seiner sicheren und wohlbegründeten Meinung abgewichen
seien“. Auch Duchesne (Orig. du culte chretien, 3. ed., p. 261) hegt, wie wohl
die übergroße Mebrzahl der modernen Gelehrten, an der Deut.ung des Invictus
auf Sol keinen Zweifel.
41
„ Wintervvende“; aber erst am 25. folgt, im Widerspruch dazu, jener
„Geburtstag der Sonne“, mit dem Zusatz aüHei cpuj?. Diese Notiz,
die ich schon vor einer Reihe von Jahren F. Cumont mitgeteilt habe 33),
ist die erste griechische Kalenderparallele zu jenem berühmten
Eintrag in dem Kalender des Philocaius (CJL 2 I p. 338) zum 25. De-
zember: „Natalis Invicti“. Der Zweifel, der wolil noch vereinzelt
auftaucht 34), ob Invictus den Sonnengott und nicht etwa einen
Kaiser bezeichne, mühte bei der Fassung im Antiochoskalender
verstummen, währencl umgekehrt cler Zusatz Invictus nicht un-
bedingt erforderlich wäre, um den Sonnengott des Aurelian zu
bezeichnen (vgl. Mommsen im Corpus a. a. 0.). Allein ist in einem
clurchaus für Ägypten eingerichteten Kalencler, cler wahrscheinlich
nicht sehr lange nach Ptolemaios, etwa 200 n. Ghr., entstanden ist,
diese Parallele wirklich die nächstliegende? Mit andern Worten,
ist es geboten, hier einen späteren, nach Aurelian gemachten Ein-
schub in unserem Kalender anzunehmen, oder erklärt sich die
Angabe genügend durch ägyptische Belege? Das scheint in der
Tat zuzutreffen. Wie mir H. Prof. Sethe in Göttingen schreibt, ,, ist
der Ausdruck HXiou yevehXiov eine genaue Wiedergabe des ägyp-
tischen Mesore' («Geburt der Sonne»), das, wie Ed. Meyer in den
«Nachträgen zur ägyptischen Ghronologie» (Abh. Berl. Akad. 1907)
gezeigt hat, die (von den Ägyptern allein gefeierte) Sommersonnen-
wende bezeichnete, mit der ursprünglich der Beginn des Kalender-
jahres (Sothisaufgang = i. Tag des 1. Monats der 1. Jahreszeit,
33) Er hat in seinem großen Mithraswerk davon Nachricht gegeben (I 342, 4)
mit der Bemerkung: „G'est le plus ancien temoignage cjue l'on possede, et il est
tres important pour determiner l’origine de ia conception paienne (cf. Macrobe I
18, § 10)“.
34) Vgl. Bilfingers treffliche „Untersuchungen über die Zeitrechnung der
alten Germanen“ II (Stuttg. Progr. 1901), S. 11: „Die berühmte Notiz hat das ent-
scheidende Wort «Solis» nicht und gibt anderweitigen Deutungen Raum. In-
victus ist allerdings ein stehendes Epitheton des Sol und anderer solarer Gott-
heiten. Es ist aber seit Commodus auch ein ganz gewöhnlicher Ehrentitel des
Kaisers, und namhafte Gelehrte haben bei unserer Inschrift die Beziehung auf
einen Kaiser vorgezogen.“ Man darf dagegen allerdings an den alten Jablonski
erinnern (herausgeg. von Lagarde, Mitteil. IV 225): „Mich wundert, daß, nachdem
Petavius schon vor mehr als 100 Jahren angemerkt, daß durch den Festtag «der
Geburtstag der Sonne» zu verstehen sei, gelehrte Leute, die diesen Kalender nach
ihm herausgegeben, von seiner sicheren und wohlbegründeten Meinung abgewichen
seien“. Auch Duchesne (Orig. du culte chretien, 3. ed., p. 261) hegt, wie wohl
die übergroße Mebrzahl der modernen Gelehrten, an der Deut.ung des Invictus
auf Sol keinen Zweifel.