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Pagenstecher, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1910, 6. Abhandlung): Niobiden — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.32152#0008
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Rudolf Pagenstecher :

Aufstreben cler Knaben braucht uns, meine ich, aucli nicht zu
beunruhigen. Die Erhöhung, auf die sie ihre Füße setzen, finden
wir schon auf dem Parthenonfries, wo sie nötig ist, einem auf-
gestützten Bein der Abwechslung halber zur Aufnahme zu dienen.
Das Gebirge wird da.durch angedeutet, aber die Stellung des
Körpers ist nicht so, daß sie auf ebenem Untergrund etwas
Ouälendes haben würde. Endlich würde die Aufstellung der Götter
Schwierigkeiten machen, aber wer sagt uns, daß sie vorhanden
waren? Phidias schon hat am Zeusthron zu Olympia ihrer nicht
bedurft. Für ein Relief, das an clen Seiten einen Abschluß
haben mußte, mögen die retardierenden Linien der Pfeile ent-
sendenden Gottheiten notwendig sein. In unserer Komposition
sind sie es nicht. Den Mythus kannte jeder, und das sinnlose Ent-
setzen mochte weit eindrucksvoller sein, wenn auch der Be-
schauer den Grund der Erregung mit körperlichem Auge nicht
erfassen konnte.

Wem die Aufstellung in Interkolumnien trotzclem unwahr-
scheinlich erscheint, der könnte sich die Gruppe auf einer nie-
cleren Basis der Art angeorclnet clenken, wie sie Furtwängler
vor dem Aphaiatempel auf Ägina festgestellt hat, und wie sie
uns in Olympia uncl Delphi so zahlreich überliefert sind. Letzthin
hat Bithlmann 22) noch den beachtenswerten Versuch gemacht,
die Niobiden vor dem Mausoleum von Halikarnaß selbst auf
treppenförmiger Basis aufzustellen. Da ich erst nachträglich
darauf aufmerksam wurdc, gereicht mir sein Versuch, ebenfalls
die Gruppe mit diesem Bau in Verbindung zu bringen — Bohl-
mann denkt an Timotheos als Künstler —, zu besonderer Be-
friedigung, doch hat auch er in cler Haltung und Zusammen-
stellung der Statuen seine unverkennbaren Schwierigkeiten.

Wenn auch die eben herangezogenen Holzsärge selbst
und ihr Schmuck zum großen Teil erst späterer Zeit an-
gehören, so gehen sie doch auf ältere Vorbilder zurück,
und cliese entstammen durchschnittlich dem Ende des fünften
und dem Anfang des vierten Jahrhunderts. Sie stehen also
zwischen den beiden Marmorgruppen zeitlich in der Mitte,
und mit Recht hat Furtwängler als Parallele zur Kopen-
hagener Niobide eine solche Tonfigur abgebildet 23), die wir uns

22) Dcis Mausoleum in Halikarnaß (Ztschrft. f. Gesch. d. Architektur),
II (1908/09), S. 231'. Rekonsruktion S. 13 'u. 19.

23) M. S. 5., 1902, S. 454. Compte rendu 1868. Taf. II, 9. Shebelew,
a. a. 0., S. 12, Fig. 13.
 
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