Niobiden.
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beweist ims die Trenming dieser beiden Figuren, daß nicht die
Gruppe von Soissons das Ursprüngliche ist, sondern daß Lehrer
und Schüler für sich standen, allerdings aufeinander berechnet.
Und noch ein anderes lernen wir, nämlich daß der Pädagoge
zur ursprünglichen Gruppe gehörte und nicht spätere Zutat
ist, wie man gemeint hat, denn unser Zykius ist im dritten
Jahrhundert entstanden 34) und geht wahrsc.heinlich auf Vor-
bilder des vierten zurück.
Wie wir schon sahen, sind die Motive der übrigen noch
aufrechtstehenden Söhne im wesentlichen die gleichen. Man
wird sie am ehesten mit der ziemlich ruhigen Existenz des
Dreifußbildes vergleichen können, sonst fmden wir überall
heftigere Erregung. Größeres Pathos zeigen in der Tat nur die
von uns als dem Original angehörig erkannten Figuren 3 und 6.
Von diesen noch niclit zum Tode getroffenen Söhnen
kommen wir zu denen, an welchen bereits das Geschoß Apollos
seine Wirkung tut. Im Zusammensinken selbst stellt die Ham-
burger Terrakottafigur ein Opfer des Gottes dar. Schmerzvoll
ist der Blick nach ohen gerichtet, im nächsten Augenblick wird
das Knie den Boden berühren, der Körper in sich zusammen-
sinken. Unter allen uns erhaltenen Monumenten bietet nur ein
einziges eine genaue Parallele: die neue Niobide aus den
Gärten des Sallust. Nur bei ihr ist dieser kurze Übergang von
einer Stellung des Körpers in die andere, ist der Körper in-
mitten einer solch blitzartigen Bewegung aufgefaßt. Wir dürfen
vermuten, daß clem Canosiner Meister ein Werk der gleichen
Epoche zum Vorbild gedient hat. Das nächste — Wiener -
Stück, welches das folgende Stadium des Falles zeigt, ist leider
schlecht erhalten. Der linke Arm war wie zur Abwehr er-
hohen, der Kopf wird entsetzt dem Pfeil entgegengewandt ge-
wesen sein. Das Motiv ist schon im fünften Jahrhundert wohl
bekannt 35), aber für Niobiden sonst nicht üblich; sachlich ent-
spricht es dem des „auf das linke Knie gestürzten Niobiden“
(Amelung 178, Stark NVII, 11). Unter den toten Niobiden
nimmt der Hamburger eine ganz besondere Stellung ein. In
keiner der uns sonst überlieferten Typen ist wohl so voll-
3D Klein, Kunstgeschichte, II, S. 302.
35) Z. B. am Fries von Phigalia, später anf cler Skopasplatte 1013 des
Mausoleums, Wolters-Sieveking, Arch. Jahrb., XXIV, 1909, Beil. 1 zu
S. 171, Nr. 28.
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beweist ims die Trenming dieser beiden Figuren, daß nicht die
Gruppe von Soissons das Ursprüngliche ist, sondern daß Lehrer
und Schüler für sich standen, allerdings aufeinander berechnet.
Und noch ein anderes lernen wir, nämlich daß der Pädagoge
zur ursprünglichen Gruppe gehörte und nicht spätere Zutat
ist, wie man gemeint hat, denn unser Zykius ist im dritten
Jahrhundert entstanden 34) und geht wahrsc.heinlich auf Vor-
bilder des vierten zurück.
Wie wir schon sahen, sind die Motive der übrigen noch
aufrechtstehenden Söhne im wesentlichen die gleichen. Man
wird sie am ehesten mit der ziemlich ruhigen Existenz des
Dreifußbildes vergleichen können, sonst fmden wir überall
heftigere Erregung. Größeres Pathos zeigen in der Tat nur die
von uns als dem Original angehörig erkannten Figuren 3 und 6.
Von diesen noch niclit zum Tode getroffenen Söhnen
kommen wir zu denen, an welchen bereits das Geschoß Apollos
seine Wirkung tut. Im Zusammensinken selbst stellt die Ham-
burger Terrakottafigur ein Opfer des Gottes dar. Schmerzvoll
ist der Blick nach ohen gerichtet, im nächsten Augenblick wird
das Knie den Boden berühren, der Körper in sich zusammen-
sinken. Unter allen uns erhaltenen Monumenten bietet nur ein
einziges eine genaue Parallele: die neue Niobide aus den
Gärten des Sallust. Nur bei ihr ist dieser kurze Übergang von
einer Stellung des Körpers in die andere, ist der Körper in-
mitten einer solch blitzartigen Bewegung aufgefaßt. Wir dürfen
vermuten, daß clem Canosiner Meister ein Werk der gleichen
Epoche zum Vorbild gedient hat. Das nächste — Wiener -
Stück, welches das folgende Stadium des Falles zeigt, ist leider
schlecht erhalten. Der linke Arm war wie zur Abwehr er-
hohen, der Kopf wird entsetzt dem Pfeil entgegengewandt ge-
wesen sein. Das Motiv ist schon im fünften Jahrhundert wohl
bekannt 35), aber für Niobiden sonst nicht üblich; sachlich ent-
spricht es dem des „auf das linke Knie gestürzten Niobiden“
(Amelung 178, Stark NVII, 11). Unter den toten Niobiden
nimmt der Hamburger eine ganz besondere Stellung ein. In
keiner der uns sonst überlieferten Typen ist wohl so voll-
3D Klein, Kunstgeschichte, II, S. 302.
35) Z. B. am Fries von Phigalia, später anf cler Skopasplatte 1013 des
Mausoleums, Wolters-Sieveking, Arch. Jahrb., XXIV, 1909, Beil. 1 zu
S. 171, Nr. 28.