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Hans von Schubert:
Kapitel findet, XXVIII, 5n: iam inde ci temporibus priscis subolem
se esse Eomanam Burgundii sciunt, im Zusammenhang mit der Auf-
fassung, daß die Burgunder ihren Namen von den ßurgen6) hätten,
das heißt nach clamals geläufiger Erldärung von clen casteha oder
castra, vgl. Vegetius (um 400), ep. inst. rei mihtaris 4, 10 (ecl. Lang
13 4 22): castellum parvulum, cjuem burgum vocant. Von dieser rornani-
sierten Bevölkerung kann dann freilich nicht verwundern zu hören,
claß sie kathohsiert sei und das liebreichste brüderliche Verhältnis zu
den „unterworfenen Gahiern“ pflege. Über den Zeitpunkt dieser
Katholisierung sagt auch das modo nichts Deutliches aus: es könnte
prägnant mit „eben jetzt“ übersetzt werden, es kann aber auch, und
das ist natürlicher, wie I, 16 2, III, 2010, VII, 4010 ein blasseres „jetzt“,
„nun“ sein oder auch mit „baldclarauf“ wiedergegeben werden. Pau-
ius Diaconus gab in seiner Hist. Rom. (XI, 4, ed. Droysen, Mon. Germ.
auct. ant. II, 1863) den Satz so wiecler: qui tamen non multo post
tempore Ghristiani effecti sunt. Daß endlich ein solcher Gesamtübertritt
durch das Eingehen des Föderatenverhältnisses veranlaßt oder auch
nur nahegelegt sei, ist jedenfalls ein Irrtum. In dem foedus, das
Westgoten und Ostgoten mit den Römern schlossen, war die Reli-
gion so wenig wie das Reclit und die Sitte der foederierten Barharen
berührt.7) Man wircl cler Stelle nur entnehmen clürfen, dah Orosius
die Vorstellung liatte. nach ihrer angeblich definitiven Niedeiiassung
am Rhein unter Valentinian I. sei die Amalgamierung der Burgunder
mit den Römern auch in religiöser Beziehung eingetreten.
Bei dem im übrigen imselbständigen, verworrenen, von un-
sicherem Wissen und flüchtiger Quellenbenutzung zeugenden Gharakter
der ganzen Stelle, bei cler offeusichtlichen, mit der apologetischen
Tencleuz des Werkes gegebenen Übertreibung, die gerade dem
Schlusse eigen ist, scheint mir clie Annahme recht schwierig, daß
Orosius eine selbständige gute Kunde nur gerade über den katho-
lischen Glauben cler Burgunder vorgelegen habe, vollends eine
so genaue und sichere, daß man, die Worte pressend, aus dem
receptis clericis den Fortbestand der kirchlichen Organisation, aus
clem omnes unter Berücksichtigung der knappen Zeit zwischen
414 und 417 den Übertritt der ganzen Volksgemeinde schließen
6) Über burc (gotisch bourgs, griechisch tiüpyoc) und die Ableitung vom
Griechischen siehe Mltch, Zeitschr. f. deutsch. Altert., Jahrg. 41, 1896, S. 113 f. Der
Ausdruck findet sich zuerst in den Inschriften Ende des 2. Jahrhunderts.
7) Stephan, Krit. Untersuch. zur Gesch. der Westg. II, 15, Progr. 1897;
W. Schultze, Deutsc-he Gesch. von der Urzeit bis zu den Karol., S. 370, 1S97.
Hans von Schubert:
Kapitel findet, XXVIII, 5n: iam inde ci temporibus priscis subolem
se esse Eomanam Burgundii sciunt, im Zusammenhang mit der Auf-
fassung, daß die Burgunder ihren Namen von den ßurgen6) hätten,
das heißt nach clamals geläufiger Erldärung von clen casteha oder
castra, vgl. Vegetius (um 400), ep. inst. rei mihtaris 4, 10 (ecl. Lang
13 4 22): castellum parvulum, cjuem burgum vocant. Von dieser rornani-
sierten Bevölkerung kann dann freilich nicht verwundern zu hören,
claß sie kathohsiert sei und das liebreichste brüderliche Verhältnis zu
den „unterworfenen Gahiern“ pflege. Über den Zeitpunkt dieser
Katholisierung sagt auch das modo nichts Deutliches aus: es könnte
prägnant mit „eben jetzt“ übersetzt werden, es kann aber auch, und
das ist natürlicher, wie I, 16 2, III, 2010, VII, 4010 ein blasseres „jetzt“,
„nun“ sein oder auch mit „baldclarauf“ wiedergegeben werden. Pau-
ius Diaconus gab in seiner Hist. Rom. (XI, 4, ed. Droysen, Mon. Germ.
auct. ant. II, 1863) den Satz so wiecler: qui tamen non multo post
tempore Ghristiani effecti sunt. Daß endlich ein solcher Gesamtübertritt
durch das Eingehen des Föderatenverhältnisses veranlaßt oder auch
nur nahegelegt sei, ist jedenfalls ein Irrtum. In dem foedus, das
Westgoten und Ostgoten mit den Römern schlossen, war die Reli-
gion so wenig wie das Reclit und die Sitte der foederierten Barharen
berührt.7) Man wircl cler Stelle nur entnehmen clürfen, dah Orosius
die Vorstellung liatte. nach ihrer angeblich definitiven Niedeiiassung
am Rhein unter Valentinian I. sei die Amalgamierung der Burgunder
mit den Römern auch in religiöser Beziehung eingetreten.
Bei dem im übrigen imselbständigen, verworrenen, von un-
sicherem Wissen und flüchtiger Quellenbenutzung zeugenden Gharakter
der ganzen Stelle, bei cler offeusichtlichen, mit der apologetischen
Tencleuz des Werkes gegebenen Übertreibung, die gerade dem
Schlusse eigen ist, scheint mir clie Annahme recht schwierig, daß
Orosius eine selbständige gute Kunde nur gerade über den katho-
lischen Glauben cler Burgunder vorgelegen habe, vollends eine
so genaue und sichere, daß man, die Worte pressend, aus dem
receptis clericis den Fortbestand der kirchlichen Organisation, aus
clem omnes unter Berücksichtigung der knappen Zeit zwischen
414 und 417 den Übertritt der ganzen Volksgemeinde schließen
6) Über burc (gotisch bourgs, griechisch tiüpyoc) und die Ableitung vom
Griechischen siehe Mltch, Zeitschr. f. deutsch. Altert., Jahrg. 41, 1896, S. 113 f. Der
Ausdruck findet sich zuerst in den Inschriften Ende des 2. Jahrhunderts.
7) Stephan, Krit. Untersuch. zur Gesch. der Westg. II, 15, Progr. 1897;
W. Schultze, Deutsc-he Gesch. von der Urzeit bis zu den Karol., S. 370, 1S97.