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Hans von Schubert:
daß auch diese Hauptquelle geschwiegen hat. Dagegen entstammt
ihr wohl die Notiz in der Weltchronik cles sogenannten Sulp. Sev.
(Chron. Gall.) zu 451 vor der Anführung der Völkerschlacht: Hac
tempestate valde miserabilis reipublicae status apparuit, cum ne
una quidem sit absque barbaro cultore provincia et infanda Arria-
norum haeresis, quae se nationihus barbaris miscuit, catholicae
nomen toto orbe infusa praesumat.16) Das sieht nicht so aus, als
ob wenigstens bei einem germanischen Stamme ein hoffnungsvoller
Anfang der Katholisierung gemacht worden sei. Auch in der um-
fangreichen Epistolograpliie und Poesie dieser galhschen Nachblüte
fehlt jede Andeutung der uns interessierenden Ereignisse, obgleich
der autobiographische Eucharisticos des Paulinus von Pella,
der von seinem Großvater Ausonius das poetische Talent geerbt
hatte, vom westgotischen Hofe aus clie traurigen Zustände Galliens
gerade in diesen Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts schildert17), und
Sidonius Apollinaris, der Schwiegersohn cles Kaisers Avitus,
der Sohn und Enkel eines praefectus praetorio Galliarum, der
(um 430) geborene Lyonese und spätere Bischof von Glermont,
durch sein bewegtes Leben nu’tten in die gotisch-burgundischen
Kämpfe um den Besitz Lyons und die Aufteilung Galliens gesteht
war: in seine Jugend, ja gerade in die Jahre allernächster Be-
rührung mit den Burgundern (s.unten) müßte der Übergang des Volks,
das über seine Vaterstaclt Herr wurde, zur Häresie gefallen sein.
An der ganzen reichen historischen, poetischen, kulturgeschicht-
lich so bedeutenclen einheimischen Literatur der Zeit wäre also clas
Ereignis, die Katholisierung eines mächtig in die Geschichte ein-
greifenden Volkes nebst seinem Abfall, spurlos vorübergegangen.
Als unter den heidnischen Sueven in Gallaecien ein katholisch
getaufter König, Rekiar, sich aufschwang, notierte das Hydatius
Sev. Sulp. und südgall. Annalen des 5. Jahrb. 1875; über Marius v. Avenches
die Monographie v. W. Arndt, 1875; zum Ganzen Wattenbach-Dümmler, Ge-
schichtsquellen 17, 63, 92, 112f., 1904.
16) Mon. Germ. auct. ant. IX, 662. Dem Chron. Gall. entstammen einige
unserer besten Nacbrichten über die Gesch. der Burgunder, zu 436: bellum contra
Burgundionum gentem memorabile exarsit, quo universa paene gens cum rege
per Aetium deleta; zu 443: Sapaudia Burgundionum reliquiis datur cum indigenis
dividenda.
17) Ed. Brandes im Corp. script. eccl. lat. XVI, 263If. Auch das Commoni-
torium des Orientius II, 165ff. (ib. p. 234 ff, 430 gesclrr.), wie das anonyme Car-
men de providentia divina (Migne 51, 617, um 415), v. 13ff., scbildern die galli-
schen Zustände dieser Zeit.
Hans von Schubert:
daß auch diese Hauptquelle geschwiegen hat. Dagegen entstammt
ihr wohl die Notiz in der Weltchronik cles sogenannten Sulp. Sev.
(Chron. Gall.) zu 451 vor der Anführung der Völkerschlacht: Hac
tempestate valde miserabilis reipublicae status apparuit, cum ne
una quidem sit absque barbaro cultore provincia et infanda Arria-
norum haeresis, quae se nationihus barbaris miscuit, catholicae
nomen toto orbe infusa praesumat.16) Das sieht nicht so aus, als
ob wenigstens bei einem germanischen Stamme ein hoffnungsvoller
Anfang der Katholisierung gemacht worden sei. Auch in der um-
fangreichen Epistolograpliie und Poesie dieser galhschen Nachblüte
fehlt jede Andeutung der uns interessierenden Ereignisse, obgleich
der autobiographische Eucharisticos des Paulinus von Pella,
der von seinem Großvater Ausonius das poetische Talent geerbt
hatte, vom westgotischen Hofe aus clie traurigen Zustände Galliens
gerade in diesen Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts schildert17), und
Sidonius Apollinaris, der Schwiegersohn cles Kaisers Avitus,
der Sohn und Enkel eines praefectus praetorio Galliarum, der
(um 430) geborene Lyonese und spätere Bischof von Glermont,
durch sein bewegtes Leben nu’tten in die gotisch-burgundischen
Kämpfe um den Besitz Lyons und die Aufteilung Galliens gesteht
war: in seine Jugend, ja gerade in die Jahre allernächster Be-
rührung mit den Burgundern (s.unten) müßte der Übergang des Volks,
das über seine Vaterstaclt Herr wurde, zur Häresie gefallen sein.
An der ganzen reichen historischen, poetischen, kulturgeschicht-
lich so bedeutenclen einheimischen Literatur der Zeit wäre also clas
Ereignis, die Katholisierung eines mächtig in die Geschichte ein-
greifenden Volkes nebst seinem Abfall, spurlos vorübergegangen.
Als unter den heidnischen Sueven in Gallaecien ein katholisch
getaufter König, Rekiar, sich aufschwang, notierte das Hydatius
Sev. Sulp. und südgall. Annalen des 5. Jahrb. 1875; über Marius v. Avenches
die Monographie v. W. Arndt, 1875; zum Ganzen Wattenbach-Dümmler, Ge-
schichtsquellen 17, 63, 92, 112f., 1904.
16) Mon. Germ. auct. ant. IX, 662. Dem Chron. Gall. entstammen einige
unserer besten Nacbrichten über die Gesch. der Burgunder, zu 436: bellum contra
Burgundionum gentem memorabile exarsit, quo universa paene gens cum rege
per Aetium deleta; zu 443: Sapaudia Burgundionum reliquiis datur cum indigenis
dividenda.
17) Ed. Brandes im Corp. script. eccl. lat. XVI, 263If. Auch das Commoni-
torium des Orientius II, 165ff. (ib. p. 234 ff, 430 gesclrr.), wie das anonyme Car-
men de providentia divina (Migne 51, 617, um 415), v. 13ff., scbildern die galli-
schen Zustände dieser Zeit.