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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Frank, Erich [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0029
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Rezensionen über schöne Literatur von SchelHng und Caroline. 21
wohlgefällt, ohne hier die Infamie zu ahnden, die darin liegt, daß Charlotte
eben in einem solchen Augenblick ihre Sinne überraschen läßt und das Be-
wußtseyn verliert. — Nachdem hierauf die Verzweiflung eingetreten ist, dann
ihr Mann sie durch neue Mißverständnisse ganz ihrem Schicksal überlassen,
wird sie entschiedene Maitresse des Fürsten, thut viel Gutes und wenig Übels,
und wird auch von ihm verlassen, schleppt sich nach ihrem Geburtsdorf, und
endigt ihr Leben auf dem Grabe ihrer Mutter, die aus Gram um sie ge-
storben war, unter dem Fluch ihres Vaters, und wird begraben „unter den
Blumen ihres Kindes. „Wer wagt es, einen Stein auf die Unglückliche zu
werfen?“, sagt der Vf. Er hat gut reden und Nächstenliebe üben, denn ist
die Unglückliche nicht sein Werk? Die unwissendste Unschuld, sollte man
denken, hätte solch einem groben Gewebe leicht cntgehen mögen. Idätten sich
Charlotte oder ihr Mann nur in den Leih- und Lesebibliotheken etwas um-
gesehen ! Ein bis dahin unerhörter Kniff ist uns freylich unter denen, welche
in Bewegung gesetzt wurden, vorgekommen, daß nämlicli der Graf, wenn Char-
lotte mit dem Fürsten allein gelassen werden sollte, sich nicht damit be-
gnügte, seine Gemahlin abrufen zu lassen, sondern im Nebenzimmer eines
seiner Kinder so lange kniff, bis es aufs ärgste schrie, und sie daneben noch
als zärtliche Mutter davon eilen konnte. — Von allen den artigen Anspielungen
und launenhaften Ausfällen, die in der ersten Hälfte vorkommen, findet sich
in dieser weiter keine Spur ; was jene etwa Ekelhaftes an sich hatten, ist
liier in das Materielle der Geschichte übergegangen. — Der Schutzgeist und
die Rache ; der erste, wie der Vf. angibt, „einige unbedeutende Zierrathen
abgerechnet“, eine wahre Geschichte ; beide aber, wie er nicht angiebt, nach
dem Französischen. Nicht unbedeutende Zierrathen kommen freylich auf llech-
nung des Hn. v. K. In der Rache z. B., wo ein abgewiesener Freyer einen
anderen jungen Mann von niedriger Herkunft anstiftet, um das stolze Mädchen
zu werben, der sie auch unt.er angenommenem Rang und Namen erhält, hat
der boshafte Freyer in Jena studirt und von den neuen Philosophen ge-
lernt, daß die ganze Welt hors nous et nos amis aus Dummköpfen besteht
— er ersann diesen „teufelischen Plan der Rache, denn unsere lieutigen Phi-
losophen sind bekanntlich Menschenkinder wie wir alle“. Wie leichtherzig
Hr. v. K. von teuflischen Plänen spricht ! er nimmt dergleichen doch hier
offenbar auf seine eigenen Schultern. — Das 3 te und zum Theil 4te Bändchen
enthält : Die Frucht fällt weit vom Stamme. Diese Erzählung ist wenigstens
als die bessere anzuführen. Ein lustiger Geselle Florio erheitert etwas die
sonst selir unanmuthige Geschichte des Baudirector Klumm. Die Ileise der
beiden Freunde ist freylich ein Stück Candide ä lci Kotzebue. Eine besondere
Erfmdungskraft zeigt sich oft bey ihm in unnöthig widrigen Zusammen-
stellungen. Wozu bedurfte es des Zuges, daß der Bösewicht Klumm sich auf
den Leichenstein der Mutter legen muß, um sich von da als verstellter
Kranker in das Haus tragen zu lassen, wo er die Tochter verführen will. Der
gute Prediger würde den Reisenden auch ohne dieses Motiv aufgenommen
liaben. Eben so muß den alten Klurnrn der Schlag rühren, damit sich die
Tochter über ihn werfen und mit ihrem „geliifteten Busen“ die Hand des
Arztes berühren kann, den die Liebe zu ihr gerührt hat. Von solchen über-
flüssigen Häßlichkeiten wimrnelt es allenthalben bey Iln. v. K., es sind dieses
die sehr wesentlichen Überladungen seiner Manier. — Glückseligkeit ist aus
dem Französischen, und, wenn wir nicht irren, aus zwey Erzählungen zu-
 
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