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Erich Frank :
kann, ja auch sonst Manches, wodurch sich dergleichen Erzählungen oder
Novellen zu wahrhaft gebildeten Werken erheben, den Witz z. B., oder dich-
terische Gestaltung eines tiefen Gefühls : so scheint doch nicht unbillig, zu
begehren, daß sie mit einiger Sorgfalt und Eleganz, mit etwas Geist und
Kenntniß der feineren Welt und in einer gefälligen Sprache geschrieben wären,
zumal wenn sie von einem Schriftsteller herrühren, welcher mit solchen An-
sprüchen seinem Publicum auch in dieser Gestalt recht oft unter die Augen
tritt, und über den fruchtbaren Cramer docli weit weg zu seyn glaubt. AVas
aber an denen des Hn. v. Kotzebue vorzüglich auffällt, ist eine ganz eigene
specifische Unsauberkeit und Geschmacklosigkeit der Darstellung, welche, alle
Lockerheit des Inhalts ihm übrigens zugegeben, jedern reineren Sinn sogar
die erste flüchtige Lectüre beschwerlich machen müssen. Denn zu einer
Sudeley aller möglichen Manieren untereinander, von denen der Vf. sich vor-
stellt, daß sie seiner Leichtigkeit zu Gebot stehn, gesellt sich noch ein
solches Treiben und Jagen der Schreibart, daß, um es so sinnlich auszu-
drücken, wie man es wirklich empfmdet, er jene alle vorgespannt zu haben
scheint, und mit ihnen über Stock und Stein dahin sprengt. Bald geht er dem
Voltaire nach, ein andermal ist er August la Fontainisch, bald auf diese, bald
auf jene Weise empfmdsam und witzig, auf seine eigene immer undelicat da-
zwischen, wie er denn von dem Büchlein Ich an und seit der gefährlichen
Wette noch nicht gelernt hat, Spaß und Schmutz zu unterscheiden. Wir wollen
zum Einzelnen übergehen. Des Pfarrers Toehter aus dem ersten Bändchen
wird hier in einem zweyten Buch beendigt. Wegen des ersten müssen wir auf
die Anzeige in Nr. 82. 1806. dieser A. L. Z. zurückweisen. Man verließ sie
dort am Wendepunct, und der Vf. hebt mit folgender Wendung wiederum
an : „Die meisten Menschen kitzeln sich mit der Einbildung, sie hätten Grund-
sätze, könnten vernünftig überlegen, wohl gar Entschlüsse fassen ; wie sie
heute über eine Sac.he dächten, würden sie auch morgen dariiber denken, und
was dergleichen Großthuereyen mehr sind“. Nachdem er einige Seiten so fort
discurirt hat, eröffnet er, daß Charlottens erster Gedanke beym Erwachen
die — Masherade war. Hieran knüpft sich nun eine, mit allen bekannten, sehr
handgreiflichen, Iiandgriffen durchgeführte, Verführungsgeschichte. Der Fürst
des Landes, der gehörig wollüstig, gefühllos und gemein ist, begehrt Char-
lotten. „Graf Schmieg, ein verlebter Wollüstling, seit mehreren Jahren des
Fürsten Unterhändler an Amors Hofe, und folglich sein Liebling, des Landes
Fluch und der Unterthanen Abscheu“, nebst dessen Gemahlin, suchen sie zu
verstricken ; der Mann wird auf Commission geschickt, clie Frau vom Graf
Sclrmieg in’s Ilaus genommen ; man läßt sie Wohlthaten und gute Handlungen
beym Fürsten auswirken, schmeichelt ihr, daß sie die Leibeigenschaft werde
aufheben können — die Briefe beider Gatten werclen untergeschlagen, falsche
geschmiedet ; endlich wird noch das Mittel gebraucht, Charlottens Vater
wegen ketzerischer Predigten daliin zu verurtheilen, daß er seines Amtes ent-
setzt, und ihm Mantel und Ivragen abgerissen werden soll : „Erbarmen !
Fürst ! schluchzte Charlotte mit kaum nocli vernehmlicher Stimme. Da lag
er wieder vor ihren Knieen, flehte selbst um Erbarmen, umfaßte den schlanken
Leib, drückte wüthende Küsse auf ihre Arme, ihren halb entblößten Busen —
dio Besinnung verließ sie — bewußtlos sank sie zurück — und als sie er-
wachte — war sie allein — das Vrtheil lag zerrissen zu ihren Füßen.“ Das
ist nun eine von den schonenden Darstellungen des Vfs., in denen er sich
Erich Frank :
kann, ja auch sonst Manches, wodurch sich dergleichen Erzählungen oder
Novellen zu wahrhaft gebildeten Werken erheben, den Witz z. B., oder dich-
terische Gestaltung eines tiefen Gefühls : so scheint doch nicht unbillig, zu
begehren, daß sie mit einiger Sorgfalt und Eleganz, mit etwas Geist und
Kenntniß der feineren Welt und in einer gefälligen Sprache geschrieben wären,
zumal wenn sie von einem Schriftsteller herrühren, welcher mit solchen An-
sprüchen seinem Publicum auch in dieser Gestalt recht oft unter die Augen
tritt, und über den fruchtbaren Cramer docli weit weg zu seyn glaubt. AVas
aber an denen des Hn. v. Kotzebue vorzüglich auffällt, ist eine ganz eigene
specifische Unsauberkeit und Geschmacklosigkeit der Darstellung, welche, alle
Lockerheit des Inhalts ihm übrigens zugegeben, jedern reineren Sinn sogar
die erste flüchtige Lectüre beschwerlich machen müssen. Denn zu einer
Sudeley aller möglichen Manieren untereinander, von denen der Vf. sich vor-
stellt, daß sie seiner Leichtigkeit zu Gebot stehn, gesellt sich noch ein
solches Treiben und Jagen der Schreibart, daß, um es so sinnlich auszu-
drücken, wie man es wirklich empfmdet, er jene alle vorgespannt zu haben
scheint, und mit ihnen über Stock und Stein dahin sprengt. Bald geht er dem
Voltaire nach, ein andermal ist er August la Fontainisch, bald auf diese, bald
auf jene Weise empfmdsam und witzig, auf seine eigene immer undelicat da-
zwischen, wie er denn von dem Büchlein Ich an und seit der gefährlichen
Wette noch nicht gelernt hat, Spaß und Schmutz zu unterscheiden. Wir wollen
zum Einzelnen übergehen. Des Pfarrers Toehter aus dem ersten Bändchen
wird hier in einem zweyten Buch beendigt. Wegen des ersten müssen wir auf
die Anzeige in Nr. 82. 1806. dieser A. L. Z. zurückweisen. Man verließ sie
dort am Wendepunct, und der Vf. hebt mit folgender Wendung wiederum
an : „Die meisten Menschen kitzeln sich mit der Einbildung, sie hätten Grund-
sätze, könnten vernünftig überlegen, wohl gar Entschlüsse fassen ; wie sie
heute über eine Sac.he dächten, würden sie auch morgen dariiber denken, und
was dergleichen Großthuereyen mehr sind“. Nachdem er einige Seiten so fort
discurirt hat, eröffnet er, daß Charlottens erster Gedanke beym Erwachen
die — Masherade war. Hieran knüpft sich nun eine, mit allen bekannten, sehr
handgreiflichen, Iiandgriffen durchgeführte, Verführungsgeschichte. Der Fürst
des Landes, der gehörig wollüstig, gefühllos und gemein ist, begehrt Char-
lotten. „Graf Schmieg, ein verlebter Wollüstling, seit mehreren Jahren des
Fürsten Unterhändler an Amors Hofe, und folglich sein Liebling, des Landes
Fluch und der Unterthanen Abscheu“, nebst dessen Gemahlin, suchen sie zu
verstricken ; der Mann wird auf Commission geschickt, clie Frau vom Graf
Sclrmieg in’s Ilaus genommen ; man läßt sie Wohlthaten und gute Handlungen
beym Fürsten auswirken, schmeichelt ihr, daß sie die Leibeigenschaft werde
aufheben können — die Briefe beider Gatten werclen untergeschlagen, falsche
geschmiedet ; endlich wird noch das Mittel gebraucht, Charlottens Vater
wegen ketzerischer Predigten daliin zu verurtheilen, daß er seines Amtes ent-
setzt, und ihm Mantel und Ivragen abgerissen werden soll : „Erbarmen !
Fürst ! schluchzte Charlotte mit kaum nocli vernehmlicher Stimme. Da lag
er wieder vor ihren Knieen, flehte selbst um Erbarmen, umfaßte den schlanken
Leib, drückte wüthende Küsse auf ihre Arme, ihren halb entblößten Busen —
dio Besinnung verließ sie — bewußtlos sank sie zurück — und als sie er-
wachte — war sie allein — das Vrtheil lag zerrissen zu ihren Füßen.“ Das
ist nun eine von den schonenden Darstellungen des Vfs., in denen er sich