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Otto Cartellieri:
clie Gefallenen in das Hotel de Rieux. Mit Entsetzen erkennt man jetzt
den Bruder des Königs! Vergeblich versucht rnan den Pagen aus-
zufragen, nach wenigen Minuten gibt er jammernd seinen Geist auf.
Bald erscheint der Prevöt von Paris, Wilhelm von Tignonville,
und benachrichtigt sofort die Prinzen von Geblüt. Ludwig von
Anjou, König von Sizilien, die Plerzöge von Berri, Burgund, Bour-
bon, die Grafen von Nevers und Glermont, der Konnetabel lvarl
d’Albret, andere liohe Würdenträger und Mitglieder des groben
Rates versammeln sich im Ilotel d’Anjou und ergreifen an Stelle
des kranken Königs die erforderliehen Maßnahmen. Sofort wird
eine Untersuchung eingeleitet. Die Tore cler Hauptstadt werden
geschlossen, Wachen durchziehen die Straßen, um etwaige Unruhen
niederzuhalten.
Die Prinzen begeben sich in clie Ivirche cler Blancs-Manteaux,
wo die Leiche einstweilen aufgebahrt wird. Der Prevöt kehrt in
die Rue Vieille du Temple zurück, um mit den Erhebungen zu
beginnen.
Am anderen Morgen (24. November) findet man nacb rnüli-
seligem Suchen in clen Schmutzhaufen auf der Straße die Hancl
und das Gehirn des Ermordeten. Der' Bleisarg wird geschlossen
und in die Gölestinerkirche überführt, welcher der Verstorbene stets
seine besondere Huld erwiesen hat. Zu den Füßen seines Herrn
wird der treue Page beigesetzt.
Bei dem feierlichen Leichenbegängnis fehlen nur der König
und seine Kinder, sonst sind alle Prinzen von Geblüt anwesend.
Das Volk zeigt sich besonders clen Todfeincl Ludwigs: in tiefe Trauer
gekleidet, wie die anderen klagend und jammernd, hält Herzog
Johann einen Zipfel des Bahrtuches.11 Einige wollen es ganz cleut-
lich gesehen haben, daß aus dem Sarge Blutstropfen rannen12;
sollte cler ruchlose Mörder es gewagt haben, vor sein Opfer zu treten?
Angst und Unrulie ergreift die Königin. Isabeau fühlt sich
im Hotel Barbette nicht sicher und läßt sich nach Saint-Pol in un-
mittelbare Nähe des Gemahls bringen. Einige Prinzen kommen
gleichfalls in den königlichen Palast; sie legen ihre Rüstung an.
11 Chron. anon. 195: dont plusieurs maintinrent que il fut mal conseille.
12 Et disent aucuns que le sang du corps se escreva, Jouvenel 190. En
tant qu’on portoit ledict duc enterrer, le sang du corps coula parmy le sercueil
ä la vueüe d’eux tous, dont y eut grand murmure de ceux qui lä estoient, et de
tels y en eut qui bien se doubtoient de ce qui en estoit; mais rien n’en dirent
ä present, Fenin 3. — Stavelot 127.
Otto Cartellieri:
clie Gefallenen in das Hotel de Rieux. Mit Entsetzen erkennt man jetzt
den Bruder des Königs! Vergeblich versucht rnan den Pagen aus-
zufragen, nach wenigen Minuten gibt er jammernd seinen Geist auf.
Bald erscheint der Prevöt von Paris, Wilhelm von Tignonville,
und benachrichtigt sofort die Prinzen von Geblüt. Ludwig von
Anjou, König von Sizilien, die Plerzöge von Berri, Burgund, Bour-
bon, die Grafen von Nevers und Glermont, der Konnetabel lvarl
d’Albret, andere liohe Würdenträger und Mitglieder des groben
Rates versammeln sich im Ilotel d’Anjou und ergreifen an Stelle
des kranken Königs die erforderliehen Maßnahmen. Sofort wird
eine Untersuchung eingeleitet. Die Tore cler Hauptstadt werden
geschlossen, Wachen durchziehen die Straßen, um etwaige Unruhen
niederzuhalten.
Die Prinzen begeben sich in clie Ivirche cler Blancs-Manteaux,
wo die Leiche einstweilen aufgebahrt wird. Der Prevöt kehrt in
die Rue Vieille du Temple zurück, um mit den Erhebungen zu
beginnen.
Am anderen Morgen (24. November) findet man nacb rnüli-
seligem Suchen in clen Schmutzhaufen auf der Straße die Hancl
und das Gehirn des Ermordeten. Der' Bleisarg wird geschlossen
und in die Gölestinerkirche überführt, welcher der Verstorbene stets
seine besondere Huld erwiesen hat. Zu den Füßen seines Herrn
wird der treue Page beigesetzt.
Bei dem feierlichen Leichenbegängnis fehlen nur der König
und seine Kinder, sonst sind alle Prinzen von Geblüt anwesend.
Das Volk zeigt sich besonders clen Todfeincl Ludwigs: in tiefe Trauer
gekleidet, wie die anderen klagend und jammernd, hält Herzog
Johann einen Zipfel des Bahrtuches.11 Einige wollen es ganz cleut-
lich gesehen haben, daß aus dem Sarge Blutstropfen rannen12;
sollte cler ruchlose Mörder es gewagt haben, vor sein Opfer zu treten?
Angst und Unrulie ergreift die Königin. Isabeau fühlt sich
im Hotel Barbette nicht sicher und läßt sich nach Saint-Pol in un-
mittelbare Nähe des Gemahls bringen. Einige Prinzen kommen
gleichfalls in den königlichen Palast; sie legen ihre Rüstung an.
11 Chron. anon. 195: dont plusieurs maintinrent que il fut mal conseille.
12 Et disent aucuns que le sang du corps se escreva, Jouvenel 190. En
tant qu’on portoit ledict duc enterrer, le sang du corps coula parmy le sercueil
ä la vueüe d’eux tous, dont y eut grand murmure de ceux qui lä estoient, et de
tels y en eut qui bien se doubtoient de ce qui en estoit; mais rien n’en dirent
ä present, Fenin 3. — Stavelot 127.