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Otto Cartellieri:
fürchtete — und rnit Reclit —, daß ein solches Vorgehen ihm als
Hochverrat ausgelegt werden könne.
Der König mußte nacli Paris zurück, Johann mußte sein all-
mächtiger, unumschränkter Stellvertreter werden. Das hlieb das
Programm!
Am 28. November 1408 rückte Joliann in der Hauptstadt ein,
mit jubelnder Begeisterung empfangen; viele Pariser begrüßten ihn
gleichwie den König mit dem Freudenrufe Noel! Gleich begannen
die Verhandlungen. Johanns Waffengefährte von Otliee, Herzog
Wilhelm von Bayern, Graf von Holland-Hennegau, cler als Bluts-
verwandter der Königin Tsabeau, dann als Schwiegervater des
Herzogs der Touraine eines rücksichtsvollen Empfangs sicher sein
konnte, trat an die Spitze der Gesandtschaft und überbrachte dem
König in Tours die Bedingungen Johanns.
Wie lauteten sie? Monstrelet26, der uns über diese Dinge
wohl am besten unterrichtet, kennt sie ebensowenig wie clie anderen
Ghronisten.27 Unser Gutachten enthält Johanns Forderungen:
1. Zurücknahme der königlichen Briefe, welche den Gnadenerlaß
annullierten. 2. Audienz beim Könige.
Nach eingehender Beratung im königlichen Rat wurden Herzog
Ludwig von Bayern, der Bruder cler Königin, uncl der Grotshof-
meister Johann von Montagu nach Paris abgesandt. um die Gegen-
vorschläge clem Burgunder zu unterbreiten.
„Et pour ce c^ue [iceulx traictiez] du tout ne lui furent point
agreables, et qu’il avait en suspicion ledit Montagu, [le duc de
Bourgongne] ne fu point content cle les passer, ne accorder, par la
maniere qu’ils lui avoient este envoyez. Et lui mesmement, cle sa
personne clist plusieurs injures et reprouches ä la personne dudit
Montagu, lequel les receut assez paciemment, en soy excusant“,
heibt es bei Monstrelet.28 Auch der R.eligieux de Saint-Denis29 weiß
zu berichten, wie ärgerlich Herzog Johann über die Anträge war:
er weigerte sich tagelang, den Herrn von Montagu zu empfangen,
und als er es endlich tat, goß er über das Haupt des königlichen
Gesanclten die volle Schale seines Zornes aus. Die Gründe der
Verstimmung gegen Montagu sind klar: für Johann war er der Ur-
26 I 390.
27 Die Rede, die der Livre des Trahisons 47 den Grafen von Hennegau
in Tours halien läßt, ist recht ungeschickt erdichtet.
28 I 393.
29 IV 184flf. Nach ihm fanden diese Verhandlungen vor Johanns Zug nach
Paris statt.
Otto Cartellieri:
fürchtete — und rnit Reclit —, daß ein solches Vorgehen ihm als
Hochverrat ausgelegt werden könne.
Der König mußte nacli Paris zurück, Johann mußte sein all-
mächtiger, unumschränkter Stellvertreter werden. Das hlieb das
Programm!
Am 28. November 1408 rückte Joliann in der Hauptstadt ein,
mit jubelnder Begeisterung empfangen; viele Pariser begrüßten ihn
gleichwie den König mit dem Freudenrufe Noel! Gleich begannen
die Verhandlungen. Johanns Waffengefährte von Otliee, Herzog
Wilhelm von Bayern, Graf von Holland-Hennegau, cler als Bluts-
verwandter der Königin Tsabeau, dann als Schwiegervater des
Herzogs der Touraine eines rücksichtsvollen Empfangs sicher sein
konnte, trat an die Spitze der Gesandtschaft und überbrachte dem
König in Tours die Bedingungen Johanns.
Wie lauteten sie? Monstrelet26, der uns über diese Dinge
wohl am besten unterrichtet, kennt sie ebensowenig wie clie anderen
Ghronisten.27 Unser Gutachten enthält Johanns Forderungen:
1. Zurücknahme der königlichen Briefe, welche den Gnadenerlaß
annullierten. 2. Audienz beim Könige.
Nach eingehender Beratung im königlichen Rat wurden Herzog
Ludwig von Bayern, der Bruder cler Königin, uncl der Grotshof-
meister Johann von Montagu nach Paris abgesandt. um die Gegen-
vorschläge clem Burgunder zu unterbreiten.
„Et pour ce c^ue [iceulx traictiez] du tout ne lui furent point
agreables, et qu’il avait en suspicion ledit Montagu, [le duc de
Bourgongne] ne fu point content cle les passer, ne accorder, par la
maniere qu’ils lui avoient este envoyez. Et lui mesmement, cle sa
personne clist plusieurs injures et reprouches ä la personne dudit
Montagu, lequel les receut assez paciemment, en soy excusant“,
heibt es bei Monstrelet.28 Auch der R.eligieux de Saint-Denis29 weiß
zu berichten, wie ärgerlich Herzog Johann über die Anträge war:
er weigerte sich tagelang, den Herrn von Montagu zu empfangen,
und als er es endlich tat, goß er über das Haupt des königlichen
Gesanclten die volle Schale seines Zornes aus. Die Gründe der
Verstimmung gegen Montagu sind klar: für Johann war er der Ur-
26 I 390.
27 Die Rede, die der Livre des Trahisons 47 den Grafen von Hennegau
in Tours halien läßt, ist recht ungeschickt erdichtet.
28 I 393.
29 IV 184flf. Nach ihm fanden diese Verhandlungen vor Johanns Zug nach
Paris statt.