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Schwally, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 17. Abhandlung): Beiträge zur Kenntnis des Lebens der mohammedanischen Städter, Fellachen und Beduinen im heutigen Ägypten — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32892#0008
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Friedrich Schwally:

Scliale Honig oder eingemachter Oliven serviert. Diese Beigaben
haben die Eigenschaft, etwaige unangenehme Geschmacksempfm-
dungen zu beseitigen. Sonst müssen 2—3 Schälchen Kaffee diesen
Zweck erfüllen. Kaffee wird auf Verlangen zu jeder Tageszeit ge-
reicht; er ist aber weder ein Bestandteil des Frühstücks (futar)
noch irgend einer anderen Mahlzeit.
Die Zusammensetzung des Mittag- und Abendessens ist wie
überall in der Welt außerordentlich verschieden und hängt nicht
nur von der Jahreszeit ab, sondern auch von dem Stand und den
Neigungen der Familie. Ich bekam am häufigsten Melühlje, Hammel-
fleisch in Tomatenbrühe und Reis. Zwischen den einzelnen Gängen
verzehrt man Kresse, Zwiebeln oder Lauch, uncl zwar alles in rohem
Zustande. Im allgemeinen kann man mit der Qualität des Essens
zufriedener sein als mit cler Quantität, da der Orientale viel weniger
Nahrung zu sich nimmt als der Nordländer.
So verschieden auch bei uns clie Essenszeiten in den einzelnen
Häusern sein können, so herrscht doch in den meisten Familien eine
ziemhch bestimmte, feste Gewohnheit. Dagegen habe ich in Ägypten
überall die ungiaublichste Unregelmäßigkeit angetroffen. Das Mittags-
mahl war manchmal schon um 12 Uhr fertig, am nächsten Tag
erst um 3 Uhr, am dritten Tag wieder 1 bis 2 Stunden früher.
Die Zeit des Nachtessens unterliegt ebenso großen Schwankungen.
Diese Zustände sind ein getreues Spiegelbild der Unordentlich-
keit cles ganzen Haushaltes. Die Einheimischen sind von Jugencl
auf daran gewöhnt und schlagen überdies den Wert der Zeit gering
an. Aber ein Forschungsreisender, der in solche Yerhältnisse hinein-
gerät, ist übel daran und wird es schon allein aus diesem Grunde
nicht allzulange in einem muslimischen Hause aushalten.
Wenn auch die Gastgeber die rührendste Sorgfalt für ihren
Gast betätigen, so kann er doch in ihrer Abwesenheit in große
Verlegenheit geraten. Da er nämlich mit den Frauen des Hauses
in keine Berührung kommt, ist er alsdann allein auf den guten Willen
der Dienerschaft angewiesen. Und eben die Diener sind, nach den
Worten von Ägyptern selbst, der Fluch des muslimischen Hauses.
Natürlich gibt es viele gute und treue Diener, aber die Masse ist
ein niclitswürdiges, diebisches und verlogenes Gesindel. Jede freund-
liche Behandlung desselben bewirkt gerade das Gegenteil des Ge-
wollten. Vieimehr muß man ihm von vornherein stolz, hochfahrend
und gebieterisch entgegentreten, so sehr es einern Europäer auch
im Innersten widerstrebt, in einem fremden Hause wie der Herr
 
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