Textorum dicta.
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entha.lt bei guten Freunden, die ihn samt Gefolge auf einer Reise
nach Nirnes in Reschlag genommen haben und nun abwechselnd
von Gelage zn Gelage schleppen. Es fehlt zwar auf diesen Ritter-
gütern einstweilen noch am nötigen Komfort eines Bades — das
Gefolge muß den üblichen Rausch im klaren Brunnen abkühlen —,
aber nicht an Spielen: hier der Ballplatz, dort hört man zwischen
den Würfelspielworten den Schall der knarrenden Würfeltürmchen
und der Würfel selber. (hac inter aleatoriarum vocum compe-
titiones fritillorum tesserarumque strepitus audiebatür.)5)
In gleicher Weise, doch mit gesuchter Zierlichkeit schildert
er Person und Lehensgewohnheiten des Westgotenkönigs Theo-
derich. Nach dem Mittagessen6) sucht dieser das Würfelspiel
mit der Leidenschaft des Germanen; da läßt er die Würde fahren;
aber selbst hier scheint er wie bei den Waffen: sola ei est
cura vincendi. Hastig rafft er die Würfel auf, betrachtet sie sorg-
lich, schüttelt sie scharfsinnig, wirft sie eilig, scherzhaft ruft er,
geduldig wartet er. (tesseras colligit rapide, inspicit sollicite,
volvit argute, mittit instanter, joculariter compellat, patienter
expectat.)7) Ob der Gotenfürst deutsche und lateinische Redens-
arten dabei gemischt hat, wissen wir nicht — nelnnen es aber
an. Geistreicher als die des Trimalchio werden seine Worte aber
kaum gewesen sein, und der Geschmacksrichter Petron würde
den gallischen Junker wie den germanischen Heerkönig etwa
auf dieselhe Stufe wie jenen semitischen Freigelassenen und
Bankier gestellt haben. Aber in der Völkerwanderung erhob
man keine so großen Ansprüche an feinen Ton wie am Hofe
Neros.
Solcher ständigen Ausrufe beim Würfeln wie beim Aus-
spielen der Karten giht es auch heute noch genug. Fritz
Reuter hat sie in einem reizenden Kapitel der Stromtid bei einer
Whistpartie der braven Inspektoren zusammengedrängt.
Was aber haben die Weberredensarten mit den Würfeln zu
tun? Wir kennen seit Büchers glänzenden Untersuchungen die
Arbeitslieder, die Bedeutung des Rhythmus für Arbeit und Spiel.
Daß in homerischer Zeit. die Weberin den Webstuhl umwandelnd
sang, ist jedemmnn von der au&pecrö'a KipKq her wohlbekannt.
5) Apollinaris Sidonius, Epp. II, 9, 4.
6) Übrigens war diese Stunde auch bei den Clriechen schon zu Pisistratus
Zeit die übliche für diese Unterhaltung.
7) Apollinaris Sidonius, Epp. I, 2, 7.
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entha.lt bei guten Freunden, die ihn samt Gefolge auf einer Reise
nach Nirnes in Reschlag genommen haben und nun abwechselnd
von Gelage zn Gelage schleppen. Es fehlt zwar auf diesen Ritter-
gütern einstweilen noch am nötigen Komfort eines Bades — das
Gefolge muß den üblichen Rausch im klaren Brunnen abkühlen —,
aber nicht an Spielen: hier der Ballplatz, dort hört man zwischen
den Würfelspielworten den Schall der knarrenden Würfeltürmchen
und der Würfel selber. (hac inter aleatoriarum vocum compe-
titiones fritillorum tesserarumque strepitus audiebatür.)5)
In gleicher Weise, doch mit gesuchter Zierlichkeit schildert
er Person und Lehensgewohnheiten des Westgotenkönigs Theo-
derich. Nach dem Mittagessen6) sucht dieser das Würfelspiel
mit der Leidenschaft des Germanen; da läßt er die Würde fahren;
aber selbst hier scheint er wie bei den Waffen: sola ei est
cura vincendi. Hastig rafft er die Würfel auf, betrachtet sie sorg-
lich, schüttelt sie scharfsinnig, wirft sie eilig, scherzhaft ruft er,
geduldig wartet er. (tesseras colligit rapide, inspicit sollicite,
volvit argute, mittit instanter, joculariter compellat, patienter
expectat.)7) Ob der Gotenfürst deutsche und lateinische Redens-
arten dabei gemischt hat, wissen wir nicht — nelnnen es aber
an. Geistreicher als die des Trimalchio werden seine Worte aber
kaum gewesen sein, und der Geschmacksrichter Petron würde
den gallischen Junker wie den germanischen Heerkönig etwa
auf dieselhe Stufe wie jenen semitischen Freigelassenen und
Bankier gestellt haben. Aber in der Völkerwanderung erhob
man keine so großen Ansprüche an feinen Ton wie am Hofe
Neros.
Solcher ständigen Ausrufe beim Würfeln wie beim Aus-
spielen der Karten giht es auch heute noch genug. Fritz
Reuter hat sie in einem reizenden Kapitel der Stromtid bei einer
Whistpartie der braven Inspektoren zusammengedrängt.
Was aber haben die Weberredensarten mit den Würfeln zu
tun? Wir kennen seit Büchers glänzenden Untersuchungen die
Arbeitslieder, die Bedeutung des Rhythmus für Arbeit und Spiel.
Daß in homerischer Zeit. die Weberin den Webstuhl umwandelnd
sang, ist jedemmnn von der au&pecrö'a KipKq her wohlbekannt.
5) Apollinaris Sidonius, Epp. II, 9, 4.
6) Übrigens war diese Stunde auch bei den Clriechen schon zu Pisistratus
Zeit die übliche für diese Unterhaltung.
7) Apollinaris Sidonius, Epp. I, 2, 7.