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Gothein, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 5. Abhandlung): Platos Staatslehre in der Renaissance — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32880#0020
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Eberhard Gothein :

für die Notwendigkeit der Weltmonarchiej angeführt hatte. Aber
deshalb vernachlässigte er Plato nicht; er henutzt hier nur seine
Ausführungen wie heliebig versetzbare Werkstücke. An die Spitze
stellte er das teleologische Prinzip, aber nicht mehr im kos-
mischen Sinne der Alten, sondern in jenem spirituellen und
geschichtlichen, der erst eine Errungenschaft des Christentums
ist11): Zweckmäßigkeit ist das einheitliche Prinzip der Schöpfung,
dem das Gianze wie .jeder einzelne Teil unterliegt. Dies gilt
auch für das Menschengeschlecht; da jeder seiner Teile, jedes
Individuum seinen Endzweck hat und ihm zufolge sich in die
gesamte Ordnung einfügt, so kann ein einheitlicher Zweck auch
der Menschheit nicht fehlen. Zweck heißt Streben nach Voll-
kommenheit; für den Menschen und die Menschheit hedeutet
das: Nachahmung dessen, wTas über uns ist; Beherrschung dessen,
was unter uns ist. Und hieraus folgt die Doppelseitigkeit des
Lebens im Schauen und Handeln. Hiermit hat er den Anschluß
an Platos TToXitiko^ gefunden.12)
Um diese Zwecke zu erfüllen, sind so viele Hilfsmittel nötig,
daß sie nur das Menschengeschlecht in seiner Gesamtheit leisten
kann. Verschiedene Völker können zu einem gemeinsamen Ziele
nur durch die Leitung eines und desselben Gesetzes geführt
werden; hier spricht Dante. Ein Architekt ist nötig, wenn
auch viele einzelne Werkmeister an dem Bau arbeiten. — Dies
Gleichnis stammt von Plato13), nach dem die Königskunst, die
zwüschen spekulativer und praktischer Tätigkeit die Mitte hält,
geschildert wird. Die einzelnen Beispiele Platos, an denen dieser
in seiner analytischen Weise den Gedanken durchführt, daß der
Wissende das Gesetz hestimmen müsse und nicht umgekehrt,
nützt nun Ficinus ganz in seinem Sinne zugunsten cles Welt-
monarchen: Vopi Iiirten, rneint er, gehe Plato aus, weil im
Menschengeschlecht nur eine Heerde und ein Hirte sei, was sich
wolil eher aus Jesaias als aus Plato belegen liefi. Sein Steuer-
mann deute darauf hin, daß ein Einziger die Leitung der Mensch-
heit hahen müsse, um der göttlichen Weltregierung zu gleichen:
der Arzt, daß der Monarch berufen sei, die Übel der Menschheit
zu heilen; der Musiker und der Weber, daß er aus Entgegen-

1:L) DlTTHEY, Einleitung in die Geisteswissenschaften.
12) Politic., p. 259.
13) Politic., p. 260.
 
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