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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0004
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E. I. Bekker :

18. Jahrhunderts erscheint in Österreich ein Strafkodex mit
schönen Kupfern, den richtigen nutzbringenden Gebrauch der
Folter zu illustrieren. Alle deutschen, und viele außerdeutsche
Staaten haben dann neue, zum Teil mehrere hintereinander, Straf-
gesetzhücher sich zugelegt. Nicht geringer waren die Änderungen
des Straf- und auch des Zivilprozesses. Neu hinzugekommen
das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Neben neuen Ver-
fassungen der Staaten neue Kodifikationen des Privatrechts und
Unmassen von Spezialgesetzen. Und nicht weniger als diese
Gefäße des Pv.echt.s ist deren Inhalt gewachsen: Aktiengesell-
schaften, Inhaberpapiere, wirtschaftliche Genossenschaften, Ur-
heberrechte usw. Was uns hier beschäftigen soll, sind aber nicht
diese zur äußeren Erscheinung gelangenden, greifbaren Dinge,
Rechtsquellen und das in diesen behandelte Material, sondern ein
wenigstens zunächst nur im Innern sich abspielender Vorgang,
eine Reforrn unseres Denkens vom Wesen des Rechts, die schließ-
lich auch zu praktischen Resultaten führen wird. Längst steht
das Wort „Rechtswissenschaft“ im Gebrauch, korrekter wäre ge-
wesen, von „RechtskunsF‘ zu reden; wir sind jetzt daran, unsere
Rechtskunst wissenschaftlicher zu gestalten und das Recht zum
selbständigen Objekt des Denkens zu erheben, mit andern Worten
echte Recht.swissenschaft zu schaffen.
Das Problem wird anschaulicher, wenn wir die Medizin zur
Vergleichung heranziehen. Hier mag die Behauptung schon
weniger auffällig erscheinen, daß wir bis gegen den Anfang des
19. Jahrhunderts nur eine medizinische Kunst besessen haben,
daß diese dann immer wissenschaftlicher geworden, und daß
jetzt neben der Kiuist auch eine Wissenschaft der Medizin he-
steht und festen Boden gefaßt hat. Kriegskunst und Politik,
Malerei, Dichtung und alle andern schönen Künste fordern von
dem, der sie heutzutage hetreihen will, ein gewisses Ouantum
des Gewußten, bleiben aber darum docli eben Künste, bei deren
Übung dem Wissen nur ein beschränktes Maß der Beihilfe zu-
kommt. Ähnlich stand es mit der Medizin noch durch das ganze
18. Jahrhundert. Einige anatomische Kenntnisse dürften sich
bis auf Homer zurückführen lassen, sie sind allmählich gewachsen,
die Erfahrung hatte ein paar andere Wahrheiten hinzugebracht.
Aher bewirkt ist der Umschwung doch erst durch das Vordringen
der naturwissenschaftlichen Forsclmngen im Verein mit den
Besserungen der Erkenntnistechnik, wie Mikroskop, Augenspiegel.
 
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