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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0005
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Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen.

Erst hiernach hat die medizinische Praxis sich gewöhnt, mehr
und mehr aus der Theorie zu schöpfen, und hat diese Theorie
auch die allgemeine Anerkennung als „akademische“ Wissen-
schaft gefunden.
Die Größe und die Jugend dieser Verwissenschaftlichung
sind auch in unserer Laienwelt wohlbekannte Dinge; nur der
wissenschaftlich geschulte Arzt darf jetzt noch auf das Vertrauen
der Gebildeten rechnen; und wenn die Klage oft laut geworden,
daß die Therapie mit der Diagnose nicht Schritt gehalten, so
liegt auch darin eine Anerkennung, wie weit die Medizin über
das rein praktische, „künstlerische“ hinaufgekommen. In hestem
Einklang damit, daß philosophische, erkenntnistheoretische
Studien kaum noch anders als auf fester physiologischer Grund-
lage unternommen werden. Gewiß ist der Umschwung noch nicht
vollendet; noch immer finden Kurpfuscher und Quacksalber ihr
Publikum, und zweifellos haben unsere besten medizinischen
Gelehrten erst den kleinsten Teil von dem Zuwissenden in den
Bestand des eignen Wissens aufgenommen. Da jede echte Wissen-
schaft unerschöpflichen Stoff in sich birgt, teiien sie damit nur
das Schicksal aller andern wirklichen Gelehrten, und dafür, daß
in den Massen unseres Geschlechts die Ouerköpfe und die unheil-
baren Narren nie ausgehen, scheint Mutter Natur auch freund-
lichst gesorgt zu haben; die Schwierigkeit, Massen zu überzeugen
und zu bewegen, gehört wohl zu den Problemen, welche unserer
Geschichte ihren besonderen Pmiz verleihen.
Im Gebiete der Jurisprudenz liegt vieles ähnlich, manches
anders. Wie Physik und Chemie, nicht biologische Botanik und
Zoologie, heschäftigt sich auch die Medizin mit Objekten, clie
sie als unwandelbar gegebene behandeln darf; anders das in
ständigem Werden und Umwerden begriffene Recht. Der Student
kann darauf zählen, daß das Recht, an dessen Übung dereinst
er selber als Richter ocler Rechtsanwalt mitzuwirken haben wird,
mit dem, was jetzt vom Katheder richtig gelehrt ist, sich nicht
vollständig decken wird. Dadurch wird die Aufgabe des Be-
greifens interessanter vielleicht, aber sicherlich auch schwieriger,
ermüdender, und es liegt nahe, daß der Ermüdete nach einem
andern, faßlicheren, aber minder wahren Rechtsbilde greift.
Sodann: der Jurist kommt leicht dahin, Vielwisserei für wirk-
liche Rechtskenntnis zu halten. Mehr davon später; jetzt sollte
es nur dienen, den Gebrauch des Wortes „Rechtswissenschaft“
 
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