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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0006
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E. I. Bekker :

nicht zu rechtfertigen, doch zu erklären. „Rechtskunst“ wird
auch heute nocli selten gebraucht; „praktische Rechtswissen-
schaft“ ist gemeinüblich wohl erst geworden, nachdem man he-
gonnen hat, aucli die unpraktischen Zweige der Rechtswissen-
scha.ft, Rechtsgeschiclite, Rechtsvergleichung usw., besser zu
pflegen.
Daß die römischen Jurekonsulten Praktiker ersten Ranges
gewesen sind, steht fest, wogegen für die zuverlässige Bemessung
des rein wissenschaftlichen Elementes in ihrem ganzen Tun und
Treiben geniigende Vorarbeiten noch fehlen. Für die Rechts-
geschichte war ihr Interesse, von wenigen Ausnahmen abge-
seben, sehr gering, und für die Rechtsvergleichung, trotz dem
„ius gentium“, anscheinend noch kleiner. Aber schon das Aus-
einanderhalten des „institui“ und des „instrui“, sowie der Auf-
bau von Gajus’ Institutionen weisen doch auf fruchtbares Nach-
denken über die Systematisierung des Rechtsstoffes, und so mag
aucli anderen, schon vor Ulpian oder Tribonian, der Gedanke an
das „veram philosophiam, non sisimulatam affectare“ gekommen
sein. Der Ausdruck „ius gentium“ ist ihnen geläufig, ohne zu
fester Bedeutung gelangt zu sein, am wenigsten zu der einer hei-
ligen und unwandelbaren Gottesgabe. Ganz irn Gegenteil erscheint
bei den Prudentes, wie schon früher in der Hand der Praetoren,
das „ius“ als ein unablässig fortwachsendes Etwas, und die
„aequitas“ mit ihrer Lieblingstochter „bona fides“ als seine ihn
treulichst nährende Pflegerin.
Bei den Glossatoren wird man nicht vergessen dürfen, daß
sie einer eben erst zur geistigen Arbeit wiedererwachenden Ge-
neration angehören; immerhin aber bekunden die Sammlungen
der Parallelstellen sowie der „dissensiones dominorum“ die An-
fänge des wissenschaftlichen Triebes. AVeniger deutlich tritt
dieser wohl bei den Kommentatoren hervor, um dann in der
Schule der Renaissance über das von den Glossatoren Erreichte
hinauszuwachsen. Cuiacius, Donellus und Anton Faber sind,
wie verschieden übrigens voneinander, doch alle drei mehr als
nur R.echtskünstler. Auch später hegegnen wir einzelnen An-
sätzen zur Entwicklung eines wissenschaftlichen Rechts, z. B.
bei Montesquieu und auf den Kathedern, welche allmähhch von
der exegetischen Lehrmethode abgehen und sich an der Scheidung
der juristischen Disziplinen versuchen. Doch weiß man einst-
weilen nichf einmal der Verwilderung zu steuern, der die Praxis
 
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